Duftbotschaften
Kommunikation durch Pheromone
In der Tierwelt dienen Duftstoffe als stille Botschafter, die entscheidende Informationen austauschen und die soziale Interaktion steuern. So entsteht eine unsichtbare, lautlose und komplexe Kommunikationswelt.
In der stimmungsvollen Dämmerung streift eine Katze mit geschmeidigen Bewegungen durch ihr Territorium, welches sie mit unsichtbaren Markierungen beherrscht. An ausgewählten Stellen wie Baumstämmen, Gartenmöbeln oder sogar an der Haustür reibt sie sanft ihre Wangen. Diese scheinbar zärtlichen Gesten sind tatsächlich strategisch und zielgerichtet, sagt Katrin Held, Verhaltens- und Ernährungsberaterin für Katzen. «Die Katze hinterlässt Pheromone, chemische Signale, die aus Drüsen an ihren Wangen freigesetzt werden. Diese Duftstoffe sind für den Menschen unsichtbar, aber für andere Katzen in der Nachbarschaft senden sie klare Botschaften aus – über Besitzansprüche, Gefühle, soziale Hierarchien und sogar über Paarungsbereitschaft.» Dieses subtile Duftspiel ist ein essenzieller Bestandteil der katzenartigen Kommunikation, eine stille Sprache, insbesondere in Bezug auf territoriale Markierung, soziale Interaktionen und die Kommunikation mit anderen Katzen.
Katzen besitzen eine Vielzahl an Pheromondrüsen, die über ihren Körper verteilt sind. Diese Drüsen, die sich an den Wangen, rund um die Mundwinkel sowie zwischen den Augen und auf der Stirn befinden, werden von Katzen aktiv genutzt. Sie reiben ihr Gesicht – wie in unserem Beispiel – an Gegenständen, Menschen oder anderen Tieren, um Pheromone freizusetzen. «Dieses Verhalten, das oft als Ausdruck von Zuneigung gedeutet wird, dient auch dazu, das eigene Territorium zu kennzeichnen und eine Art Wohlfühlzone zu schaffen», erläutert Held. Darüber hinaus geben die Drüsen an der Unterseite der Pfoten, besonders zwischen den Ballen, Pheromone ab, wenn Katzen kratzen. Das Kratzen ist nicht nur Teil der Krallenpflege, sondern trägt auch zur chemischen Markierung ihres Territoriums bei. «Ebenso besitzen Katzen Drüsen am Schwanzansatz und in der Nähe des Anus, die ebenfalls Pheromone freisetzen. Wenn Katzen ihren Schwanz aufrichten und sich an Menschen oder Objekten reiben, markieren sie diese auf diese Weise.» Die Duftmarken spielen insbesondere in der Kommunikation mit anderen Katzen eine Rolle, vor allem in Situationen, die von Aggression oder sexuellem Interesse geprägt sind.
Duftende Pfade von Ameisen
Unter unseren Füssen verbirgt sich eine Welt, in der Düfte eine besonders komplexe Rolle spielen: das faszinierende Reich des Ameisenstaates. In diesem architektonischen Wunderwerk aus fein gearbeiteten Tunneln und Kammern, die tief in die Erde reichen, herrscht eine perfekt harmonisierte und streng hierarchische Gesellschaft. Diese unterirdischen Paläste, meist nur durch kleine Erdhügel oberirdisch erkennbar, sind Schauplatz eines unermüdlichen Treibens – ein fortwährender Zyklus aus Sammeln, Bauen, Pflegen und Verteidigen. Was auf den ersten Blick wie ein chaotisches Gewimmel erscheinen mag, entpuppt sich als präzise organisiertes System, in dem jede Ameise genau ihre Rolle kennt. Organisation und Kommunikation innerhalb des Ameisenstaates erfolgen hauptsächlich über Duftstoffe und Pheromone, wobei jeder Duft und jedes Signal ein integraler Bestandteil des gesamten Gefüges ist.
Diese chemischen Botenstoffe sind sogar das Hauptkommunikationsmittel für Ameisen und unerlässlich für die Koordination ihrer zahlreichen Aufgaben in der Kolonie. Der Schweizer Ameisenforscher Dr. Daniel Schläppi erklärt dies am Beispiel der Nahrungssuche: «Sobald eine Sammlerameise auf eine lohnende Nahrungsquelle stösst, hinterlässt sie eine Pheromonspur. Diese markiert den Weg zurück zum Nest und dient anderen Ameisen als Wegweiser, um die Futterstelle zu finden.» Im Laufe dieses Prozesses verstärken die nachfolgenden Ameisen den Pfad durch ihre eigenen Pheromone, was Schläppi als «eine selbstverstärkende Kommunikationsschleife» beschreibt. «Diese ausgeklügelte Form der kollektiven Intelligenz ermöglicht es der Ameisenkolonie, Ressourcen effizient zu nutzen und sich schnell an wechselnde Umweltbedingungen anzupassen.» Die komplexe Chemie der Pheromone, hauptsächlich basierend auf Kohlenwasserstoffverbindungen, wird in speziellen Drüsen produziert, die über den ganzen Körper verteilt sind – von den Antennen bis zu den Fussspitzen.
Alarm und Verteidigung: Pheromone im Einsatz
Doch Pheromone dienen nicht nur der Nahrungssuche. «Sie sind auch integraler Bestandteil anderer kolonialer Aktivitäten wie der Verteidigung des Nests und der Regulation sozialer Strukturen», fügt Schläppi hinzu. In Stresssituationen können Ameisen über Pheromonsignale Alarm schlagen, was zu einer koordinierten kollektiven Verteidigungsreaktion führt. Dieses rasche Erkennen von Fremden basiert auf dem individuellen Duftstoffmix jedes Ameisenstaates, den die Ameisen auf ihrem Aussenpanzer, der Cuticula, tragen. Dadurch identifizieren sie Mitglieder ihrer eigenen Kolonie und unterscheiden sie von Aussenstehenden. «Darüber hinaus nutzen Ameisen Pheromone zur Rekrutierung von Arbeitskräften für spezifische Aufgaben innerhalb der Kolonie», erklärt Schläppi. Diese hoch entwickelte Form der Kommunikation ermögliche es den Ameisen, nicht ausschliesslich als Individuen, sondern als hoch organisierte soziale Einheit zu agieren und so den Erfolg der Kolonie zugewährleisten.
In einigen Ameisenarten können verletzte Individuen durch das Aussenden spezifischer Pheromone um Hilfe rufen. «Sofern die Verletzungen nicht zu schwerwiegend sind, eilen ihre Artgenossen herbei, um sie zurück ins Nest zu tragen, wo sie anschliessend versorgt werden», erklärt Schläppi. Offene Wunden würden dabei teilweise über Minuten hinweg von anderen Ameisen geleckt, um Infektionen zu verhindern. Diese kollektive Pflege hat nachweislich positive Auswirkungen auf die Überlebenschancen der verletzten Ameise.
Interessant ist auch, dass manche Tiere es schaffen, geruchlich unauffällig zu bleiben und sich in Ameisenstaaten einzunisten. Sie imitieren die chemischen Signale der Ameisen, um als Teil der Kolonie akzeptiert zu werden. Diese Untermieter, die von Käfern bis hin zu Schnecken reichen, suchen Schutz oder Nahrung im Ameisennest und werden toleriert, solange ihr Geruch dem der Ameisenkolonie entspricht, wobei verschiedene Ameisenarten unterschiedliche Gerüche aufweisen. Diese sind teils sogar für den Menschen wahrnehmbar. So riecht beispielsweise die sich im Mittelmeerraum ausbreitende Argentinische Ameise leicht nach Fett.
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Pheromone als Allround-Talente
Auch im Rest der Tierwelt sind Geruchsstoffe ein zentrales Kommunikationsmittel. Wie Katzen nutzen Hunde Pheromone, um beispielsweise ihr Revier zu markieren. Besonders ausgeprägt ist die Verwendung von Pheromonen bei Motten und Schmetterlingen. Bei der Sexpheromon-Kommunikation reichen wenige Moleküle aus, um Mottenmännchen anzulocken – teils von kilometerweit her. Bei Mäusen spielt Geruch ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Paarung. Eine spezifische Substanz in der Tränenflüssigkeit der Männchen kann bei Weibchen eine Art Duldungsstarre auslösen, die eine Paarung erleichtert. Ein ähnliches Phänomen wird in der Schweinemast genutzt, wo Pheromone eingesetzt werden, um die Säue für die industrielle Besamung vorzubereiten.
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All dies funktioniert bei vielen Tieren aufgrund eines speziellen Organs in der Nase, dem Vomeronasalorgan, das auf die Wahrnehmung von Pheromonen spezialisiert ist. Die Wahrnehmung löst automatisch spezifische Verhaltensweisen aus, beispielsweise Fluchtreaktionen. In Paniksituationen ausgeschüttete Substanzen warnen Artgenossen, die daraufhin Vorsicht walten lassen. Dieses Prinzip funktioniert sogar im Wasser, wie das Beispiel von Kaulquappen zeigt, die bei Gefahr Warnstoffe ausscheiden, um ihre Artgenossen zu alarmieren. Auch Fische verwenden Gerüche, um vor Gefahren zu warnen. Für uns Menschen bleiben diese subtilen Signale in der Regel selbst in der Luft unbemerkt, da unsere Wahrnehmung von Geruchsstoffen im Vergleich zu vielen Tieren stark eingeschränkt ist.
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