Von der Weide auf den Catwalk
Zu Besuch beim Kuhstylisten
Michael Fankhauser kennt sich mit Schermaschinen, Bürsten und Spraydosen bestens aus, damit stylt er Kühe für Auktionen und vor allem für Ausstellungen. Und zwar nicht nur die eigenen: Der junge Landwirt gehört zu den international gefragtesten Kuhfittern.
Das Entrée des Bauernhauses in der ländlichen Gemeinde Burgistein (BE), in dem Michael Fankhauser mit seinem Vater wohnt, ist über und über mit Schleifen behängt. Schleifen, die ihre Rinder und Kühe für gute Platzierungen oder gar Siege von Schönheitswettbewerben mit nach Hause gebracht haben. Beim Betreten des Wohnzimmers stechen die grossen Pokale und die zahlreichen Fotos ins Auge – auch sie bezeugen alle die Zuchterfolge ihrer Holstein-Kühe und -Rinder. Der Kaffee wird in einer Tasse serviert, auf der ein Foto des Ausnahmestiers Jordan-Red prangt. «Andere in meinem Alter begeistern sich für Fussball, ich verbringe halt unzählige Stunden damit, Kühe für Shows zurechtzumachen – das ist meine Leidenschaft», sagt der 30-jährige Michael Fankhauser.
Das Ausstellungsfieber habe er von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen, mit dem er heute den landwirtschaftlichen Betrieb mit rund 30 Milchkühen und 40 Hektaren Land führt, so Fankhauser. 2015 begann er sich mit dem Kuhstyling auseinanderzusetzen. «Erst habe ich nur die Tiere aus dem eigenen Stall für die Shows zurechtgemacht, dann kamen immer mehr Anfragen von anderen Landwirten.» Anfangs gehörten nur Holstein-Kühe zu Fankhausers Kundinnen, doch schon bald verschönerte er auch Brown Swiss und manchmal Jersey-Kühe. Nachdem er 2017 an der europäischen Jungzüchterschule im belgischen Ort Battice den Sieg in der Einzelwertung geholt hatte, sind seine Stylingkünste sogar auf dem internationalen Parkett gefragt. «Vieles läuft auch über Mund-zu-Mund-Propaganda, mittlerweile werde ich als Kuhfitter für Shows in Italien, Frankreich, Belgien oder Spanien engagiert», erzählt der Jungzüchter nicht ohne Stolz. Michael Fankhauser ist ein gefragter Mann, so gut wie er können nicht allzu viele mit der Schermaschine umgehen. Und ausserdem sind die Leute in der Schweiz rar, die ihre Dienste als sogenannter Kuhfitter anbieten. «Das Ziel des Stylings ist, die funktionalen Merkmale einer leistungsstarken und langlebigen Kuh herauszuarbeiten und den eleganten Ausdruck eines Tieres zum Vorschein zu bringen», erklärt der junge Landwirt seinen Nebenjob. Positive Merkmale können so betont, wirkliche Mängel und Fehler im Gebäude aber nicht vertuscht werden.
[IMG 2]
Rückenlinie mit richtig gutem Zug
Besonders wichtig ist eine stabile Rückenlinie, die so richtig gut Zug draufhat, wie Michael Fankhauser es beschreibt. Die Rippenöffnung sollten möglichst gross sein, da dies ein Indiz dafür ist, dass ein Rind viel Futter aufnehmen kann. Und natürlich liegt der Fokus auch auf einem guten Euter, das Auskunft über die Milchleistung gibt. Beim Styling zielt alles darauf ab, diese Merkmale in ein vorteilhaftes Licht zu rücken.
Dazu wird eine Kuh erst einmal gewaschen, damit sie sauber in den Scherstand geführt werden kann. Der sogenannte Clipperstand, in dem die Kuh am Kopf festgebunden wird, dient als Hilfsmittel, damit sich das Tier ruhig hält. Geschoren wird von Kopf bis Fuss. Der Körper mit einer etwas grösseren, Beine und Kopf mit einer feineren Schermaschine. Im Lehrmittel der Jungzüchterschule ist zu lesen: «Um die milchtypischen Merkmale und den Adel des Tieres ins rechte Licht zu rücken, sollte man alle Haare der Schulter, des Halses und des Kopfs einschliesslich der Ohren und des Mauls abscheren.» Nur die Tasthaare müssen laut Schweizerischem Tierschutzgesetz stehen bleiben. Auch der Schwanz wird geschoren, bis auf die Schwanzquaste, welche voluminös auftoupiert wird.
Ein besonderes Augenmerk gilt der Topline, die vollkommen gerade erscheinen sollte. Dazu werden erst die Haare mittels Bürste und Haartrockner aufgerichtet. Dann wird das Fell der Rückenlinie am höchsten Punkt des Kreuzbeins nur wenig und in den Vertiefungen entsprechend mehr gekürzt. Wichtig sind kaum erkennbare Übergänge zwischen dem kurzgeschorenen Körperhaar und den längeren Haaren der Rückenlinie, erklärt Michael Fankhauser anhand einiger Youtube-Videos. Die Vorlieben seien allerdings von Land zu Land unterschiedlich. Die Italiener würden beispielsweise breitere Rückenlinien mit mehr Haaren bevorzugen. «Die rosa Haut darf nicht durchschimmern, sonst wurde das Fell zu kurz geschoren», zählt Fankhauser ein weiteres Merkmal auf, an dem zu erkennen ist, dass ein Kuhfitter sein Handwerk beherrscht.
Für dieses Handwerk, in das Michael Fankhauser viel Zeit und Herzblut investiert, benötigt er einiges an Equipment. Unten im Keller tut sich ein Lager auf, das jedem Coiffeur Konkurrenz macht. Hier türmen sich Spraydosen mit der Aufschrift «Final Mist» oder auch «Clear Magic» – Kisten voller Haarsprays, Glanzsprays, Waschmittel, Farbsprays und Babyöl stehen neben Schermaschinen in allen Grössen im Regal. Fankhauser erzählt von der schwierigen Suche nach einem neuen Haarspray speziell für Rinder, nachdem sein altbewährtes Produkt vom Markt genommen wurde, und von seiner ältesten, aber allerbesten Schermaschine, die kürzlich bei einer Show von einem Stapler überfahren wurde, dank etwas Klebeband aber noch immer tadellos ihre Dienste tut.
Muss leiden, wer schön sein will?
Apropos Kleber: Das Versiegeln der Zitzen, damit keine Milch aus dem für die Präsentation gut gefüllten Eutern tropft, wurde harsch kritisiert. Darauf hat die Branche reagiert. Im Ausstellungsreglement der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Rinderzüchter ist zu lesen: «Das Verlängern der Zwischenmelkzeiten in einem Mass, welches das Wohlbefinden des Tieres beeinträchtigt, ist verboten.» Zudem werden die Euter vor dem Betreten des Rings mit Ultraschall untersucht, was eine objektive Bewertung der Euterbefüllung zulässt. Dennoch bliebt das äusserliche Versiegeln der Zitzen mit Collodium erlaubt.
«Um die Kuh in bester Form zeigen zu können, muss das Euter etwas prall sein, allerdings beobachten und berechnen wir den Euterlad jeweils genau», erklärt Michael Fankhauser. Ihm sei wichtig, dass seine Tiere übers Jahr zu Hause gesund sind und nicht nur, dass sie an der Show eine gute Figur machen. Der Transport sei anstrengend, die Ausstellung selbst bedeute für eine Kuh, die sich dies gewohnt sei, keinen grossen Stress, ist sich Fankhauser sicher. Je mehr Kontakt ein Halter mit seinen Tieren hat, desto ruhiger sind sie während der Vorbereitung und an der Ausstellung, da sie den Umgang mit Menschen kennen. «Ich bin mir sicher, die Rinder freut es, wenn etwas mit ihnen unternommen wird», so der prämierte Jungzüchter.
[IMG 3]
Er selber möchte auch noch einiges unternehmen in Sachen Kuhstyling, sagt Michael Fankhauser. «An eine Show an der spanischen Küste zu fahren, ist für mich wie Ferien, nur werde ich bezahlt dafür.» Oft werde er nur für das «Finetuning», also um eine perfekte Topline zu zaubern, engagiert. Eine Kuh von A bis Z zu scheren sei aber lukrativer, denn dafür benötige er gut zwei Stunden. Im Winter bietet dieser Nebenerwerb eine gute finanzielle Ergänzung. «Aber klar, der Betrieb zu Hause muss auch bewirtschaftet werden, oft ist es schwierig, dass ich für mehrere Tage unterwegs sein kann», gibt Michael Fankhauser zu bedenken. «Das Tolle an der Arbeit an Ausstellungen ist, dass man gleichgesinnte Leute kennenlernt.»
Was ihm dieses Jahr noch am Herzen liegt, sei die Jungzüchtershow in Belgien. Nachdem er bereits in der Schweiz zwei Ausgaben der Jungzüchterschule habe begleiten dürfen, sei er nun angefragt worden, an der europäischen Austragung sein Wissen weiterzugeben. Dem Nachwuchs Tricks in Sachen Kuhfittig zu verraten, das liegt Fankhauser, oft kommen Interessierte zu ihm, um das Handwerk zu erlernen. Auch wenn dereinst einer dieser Jungzüchter in seine Fusstapfen treten sollte, Michael Fankhauser wird man noch an der einen oder anderen Ausstellung dabei beobachten können, wie er gekonnt der Topline den letzten Schliff gibt.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren