Als Doppeldeckerbus voller Wissenschaftsliebe und Käse-Fetischismus, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, leckere Käse herzustellen und das Lebensmittelsystem umzukrempeln. So stellt sich das Berliner Start-up Formo vor. Begleitet wird der Onlineauftritt von hippen Bildanimationen und knackigen Textpassagen. Eine Präsentationsplattform, die nicht nur Lust macht, die Käseprodukte mit Namen wie «Frischhain», «Frankoforte» und «Camambritz» zu probieren, sondern auch gleich beim jungen Team, das sich in einem Klinkerbau direkt an der Spree am ehemaligen Osthafen eingemietet hat, mitanzupacken.

Am Kopf der Formo-Equipe steht ein Schweizer. Der 30-jährige Raffael Wohlgensinger zog es nach seinem Studium an der Universität St. Gallen nach Berlin. Denn hier wird gross gedacht und etwas gewagt. Der gebürtige Zürcher gründete Formo, weil er als Veganer trotzdem Lust auf Käse hatte, die bisher existierenden pflanzlichen Käsealternativen seinen Geschmack aber nicht trafen.

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Milchkühe abschaffen?

Formo hat sich auf die Fahne geschrieben, Käse zu produzieren, allerdings tierfrei. Im Labor werden dazu Milchproteine gezüchtet und dann zu Käse verarbeitet. Um den Käse herzustellen, nimmt Formo die DNA der Kuh und baut Teile des genetischen Bauplans in das Genom von Bakterien, Pilzen und Hefen. Dieses Verfahren nennt sich Präzisionsfermentation. Die neu programmierten Mikroorganismen werden in sogenannten Fermentern mit Sauerstoff, Zucker und weiteren Nährstoffen gefüttert. Daraufhin erzeugen sie das Milchprotein Kasein, das zu Käse verarbeitet werden kann. So beschreibt Janique Weder in einem anfangs September 2024 erschienenen Beitrag der NZZ am Sonntag das neuartige Verfahren, verbunden mit der Frage, ob die Zeit der Milchkühe nun vorbei ist.

Denn Milchkühe stellen ein Umweltproblem dar, da sie das klimaschädliche Gas Methan ausstossen und grosse Land- sowie, über die Verabreichung von Kraftfutter, Nahrungsmittelressourcen beanspruchen, die Menschen gebrauchen könnten. Für die Umwelt wäre es also sinnvoll, man könnte Rinder als Nutztiere abschaffen, hält die Wirtschaftsjournalistin fest.

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Ethische und wirtschaftliche Bedenken

Käse ganz ohne Antibiotika, Hormone, Umweltbelastung und Tierleid – wie es Formo verspricht – das klingt doch toll. Wie gut vermarktbar dieses Käseprodukt sein wird, das ist allerdings eine andere Frage. Für den Verkauf zugelassen ist der Formo-Käse nämlich noch nicht. Da bei seiner Herstellung genetisch veränderte Organismen zum Einsatz kommen, handelt es sich um ein neuartiges Lebensmittel, für das die EU eine Bewilligung vergeben muss. Weltweit sind bisher nur wenige Lebensmittel auf dem Markt, die durch gentechnisch veränderte Organismen hergestellt wurden, schreibt die NZZ-Autorin. Es spielen nämlich auch ethische Bedenken eine Rolle, wenn die Natur im Labor nachgebaut wird. Zudem macht sie darauf aufmerksam, dass noch vor kurzem gehypte vegane Ersatzprodukte momentan rasant an Interessenten verlieren. Oatly (Milchersatzprodukt) und Byond Meat (Fleischersatzprodukt) vermelden sinkende Umsätze. Die anfängliche Euphorie scheint etwas verflogen und viele Menschen mögen nach wie vor lieber echtes, statt im Labor hergestelltes Fleisch und echte Kuhmilch, statt Haferdrinks, hält Janique Weder fest.

Bis die Zulassung des Labor-Käses erteilt ist, setzt das Berliner Unternehmen momentan noch auf Käse, den es über Mikrofermentation aus Koji-Pilzen herstellt. Nächstes Jahr sollen diese Käsesorten auch in der Schweiz erhältlich sein.