«Hauptsache, Zeit in der Natur verbringen.»
Als Wildtierfotograf braucht man Durchhaltevermögen
Levi Fitze ist erst 17-jährig, gehört aber bereits zu den spannendsten Wildtierfotografen der Schweiz. Seine Aufmerksamkeit galt ursprünglich den Vögeln, mittlerweile haben auch Säugetiere sein Herz erobert und ab und an schleicht sich gar ein Nutztier vor die Linse.
Wenn der junge Naturliebhaber mit seiner Fotokamera und dem riesigen Objektiv loszieht, harrt er oft Stunden aus, um am Ende des Tages ohne das erwünschte Bild im Kasten heimzukehren. Doch manchmal hat er Glück und ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit seinem fotografischen Geschick vermag er dann stimmungsvolle Tieraufnahmen zu komponieren, die Einblicke in verborgene Lebenswelten bieten. Eine Wühlmaus bei ihrem Sprint über die Schneedecke zu beobachten, scheint dann genau so spektakulär wie eine Luchsmutter bei der Fütterung ihrer Jungen.
Herr Fitze, woher haben Sie Ihr fotografisches Können? Und welche Fotografen oder Fotografinnen inspirieren Sie?
Ich war schon als Zehnjähriger viel mit einer Jugendgruppe zur Natur- und Vogelbeobachtung unterwegs. Dort haben einige ältere Kollegen fotografiert. Von ihnen konnte ich in Sachen Wildtierfotografie abschauen und lernen und wir haben unsere neusten Erkenntnisse immer untereinander ausgetauscht. Vieles habe ich mir autodidaktisch beigebracht. Dazu gehört, dass man viel ausprobiert und natürlich etliche Fehler macht. Meine fotografischen Vorbilder wechseln ständig.Momentan ist der Franzose Vincent Munier mein Favorit. Sein minimalistischer Stil in der Wildtierfotografie gefällt mir. Wie ich fotografiert er viel in Bergregionen. Eines seiner letzten Projekte war, im tibetischen Hochland Schneeleoparden zu fotografieren. Ein Dokumentarfilm dazu lief eben erst bei uns in den Kinos.
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Ihr Interesse für Tierfotografie ging von der Ornithologie aus. Was interessiert Sie besonders an der Vogelwelt? Und welche anderen Tiere gehören sonst noch zu Ihren Favoriten?
Es gibt unglaublich viele verschiedene Arten von Vögeln und sie sind überall anzutreffen, das macht sie für mich zu einem beliebten Sujet. Am Anfang meiner Beschäftigung mit Vögeln stand für mich im Fokus, jeweils herauszufinden, was für eine Art ich vor die Linse bekommen habe. Auch heute finde ich diese Tiere noch sehr spannend. Ich bin viel und gerne in den Bergen unterwegs. Dieser Lebensraum und alle Tiere, die darin leben, faszinieren mich. Sowohl Vögel als auch Säugetiere.
Zur Person
Levi Fitze ist im appenzellischen Bühler zu Hause und absolviert eine Lehre als Fotofachmann. Nicht nurberuflich, sondern auch in der Freizeit hat er den Fotoapparat stets zur Hand. Er legt sich bei Wind und Wetter auf die Lauer, um Auerhähne, Luchse oder Gämsen im besten Licht festzuhalten. Seine Ausdauer und sein gutes Auge für schön komponierte Bilder wurden bereits mit mehreren internationalen Auszeichnungen belohnt.
levifitze.ch
Ihre Fotos sind sehr schön komponiert. Was reizt Sie mehr – ein Tier festzuhalten, das man selten zu Gesicht bekommt, oder eine Stimmung in der Natur einzufangen?
Wenn beides ineinanderfliesst, ist es natürlich perfekt. Anfangs war es mein Ziel, möglichst künstlerische Bilder zu machen, und ich habe viel Wert auf diesen Aspekt gelegt. Mittlerweile interessiert mich eher das Aussergewöhnliche.
Breite Kenntnisse über Tiere sind Voraussetzung für Ihre Tätigkeit. Wo haben Sie dieses Wissen her?
Das allgemeine Interesse an Tieren war bei mir von klein auf vorhanden. Meine Eltern haben in diesem Bereich viele Kenntnisse, die sie mir bei unseren gemeinsamen Ausflügen weitergegeben haben. Auch in der Jugendgruppe haben wir viel diskutiert. Die Mitglieder hatten ein grosses Wissen, nicht nur über Vögel, sondern auch über diverse andere Tiere. Oft bin ich draussen unterwegs und forsche nach meinen Streifzügen nach, was für Tiere ich gesehen habe. Dazu benutze ich Bücher, Filme, das Internet etc.
Um grossartige Bilder schiessen zu können, müssen Sie bei Nässe und Kälte draussen ausharren, ja sogar draussen übernachten. Ist das eher ein notwendiges Übel oder ein spannendes Abenteuer?
Seit ich in der Lehre als Fotofachmann bin, ist für mich das Draussensein ein schöner Ausgleich zur Arbeit. Das Wetter ist mir dabei egal, Hauptsache, ich kann Zeit in der Natur verbringen. Denn draussen kann ich gut abschalten und den Moment geniessen. Als ich noch zur Schule ging und mehr Zeit für die Fotografie hatte, war das Draussensein bei garstigem Wetter manchmal eher eine mühsame Komponente. Bei schlechtem Wetter fragte ich mich da schon ab und zu, wieso ich diese Widrigkeiten auf mich nehme.
Täuscht der Eindruck oder ist das Wildtierfotografieren eher eine Männersache? Woran könnte das liegen?
Die Wildtierfotografie ist eindeutig eine Männerdomäne. Frauen widmen sich eher anderen fotografischen Bereichen, scheint mir. Woran das genau liegt, ist schwierig zu sagen. Vielleicht könnten wir dieses Interview nutzen, um den Frauen zu zeigen, wie toll die Wildtierfotografie ist und dass sie sich mit ihren Aufnahmen nicht verstecken sollen.
Young Nature Photographer of the Year, Newcomer im Bereich Tierfotografie von National Geographic – was bedeuten Ihnen diese wichtigen Auszeichnungen, die Sie bereits erhalten haben?
Diese Wettbewerbe bieten einen tollen Vergleich mit anderen Fotografen. Mir ist aber nicht nur der kompetitive Gedanke, also das Siegen wichtig. Schön finde ich auch, dass man an den Wettbewerben jeweils andere Fotografen trifft, mit denen man sich austauschen und fachsimpeln kann. Solche Auszeichnungen zeigen mir auch, dass meine fotografische Arbeit Wertschätzung erfährt. Und ich finde so ein Publikum, dem ich meine Geschichten, die hinter den Fotografienstecken, erzählen kann.
Die Anerkennung der Profis über diese Auszeichnungen oder viele Likes vom breiten Publikum auf Social Media – was ist Ihnen wichtiger?
Den Austausch mit anderen Fotografen finde ich für meine Weiterentwicklung wertvoller als viele Likes auf Instagram. Für meine Beiträge auf den sozialen Medien befolge ich keine Strategie, ich poste nur unregelmässig. Da wäre mein Engagement sicher noch ausbaubar. Denn schlussendlich ist beides Teil meiner Tätigkeit als Fotograf – der reale Austausch mit Kollegen aus der Branche und die Präsentation meiner Arbeiten auf Social Media.
Für die Reportage «z’Alp» haben Sie starke Menschenporträts und schöne Aufnahmen von der Zusammenarbeit der Menschen mit Nutztieren geschossen. Sind das Bereiche, in denen Sie sich weiterentwickeln möchten?
Ein Älpler lebt ja sehr nah an den Wildtieren dran und muss auch einen Weg finden, um Nutztiere und Wildtiere koexistieren zu lassen. Mit der Alpreportage konnte ich die Geschichte der Wildtiere auf eine andere Art weitererzählen. Reportagefotografie finde ich an sich spannend. Ich könnte mir gut vorstellen, über Fotos mehr Geschichten mit Menschen zu erzählen. Obwohl die Leute schon eher Wildtierfotos von mir erwarten.
«Ich bin viel und gerne in den Bergen unterwegs. Dieser Lebensraum und alle Tiere, die darin leben, faszinieren mich.»
Mit Freunden haben Sie ein Projekt zum Schutz der Wiesenbrüter wie des Kiebitzes lanciert. Können Sie uns mehr dazu erzählen?
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Die Idee zu diesem Schutzprojekt stand schon lange im Raum. Erst als eine Bank einen Projektwettbewerb ausschrieb, wurden wir aktiv. Wir haben unser Projekt angemeldet und erhielten tatsächlich einen Start-vertrag. Früher war der Kiebitz ziemlich verbreitet, seit den 1980er-Jahren ist die Population jedoch stark zurückgegangen. Im Rheintal brüten noch einige Paare. Das Problem ist, dass sich weder schweizerische noch österreichische Vogelschutzverbände verantwortlich für deren Erhaltung fühlen. Wir haben im Frühling 2021 erstmals eine Schutzaktion vor Ort durchgeführt. Das heisst, wir haben gemeinsam mit den Bauern die Brutplätze in den Wiesen ausfindig gemacht und eingezäunt, sodass die Felder erst dann gemäht werden, wenn die Jungen ausgeflogen sind. Ein nächstes Projekt besteht in der Erstellung eines Imagefilms für die Feldlerche.
Wie möchten Sie sonst noch mit Ihrer Fotografie zum Tier- und Naturschutz beitragen?
Mir ist es ein Anliegen, mit meinen Fotos auf bedrohte Tiere und den Umweltschutz aufmerksam zu machen. Ein Bild allein sagt jedoch wenig aus. Bei Vorträgen habe ich die Möglichkeit, auf Probleme hinzuweisen und die Leute für einen bewussten Umgang mit unserer Tier- und Pflanzenwelt zu sensibilisieren. Oder wenn meine Fotos in Magazinen erscheinen, erlaubt mir dies, die Geschichte eines bedrohten Tieres einem grossen Publikum zu vermitteln.
Was haben Sie noch für fotografische Träume?
Meine fotografischen Ziele sind nicht klar definiert. Ich möchte weiterhin so viel Zeit wie möglich draussen in der Natur verbringen und dabei möglichst viele verschiedene Tiere vor die Linse bekommen. So gut wie jedes Land könnte ich mir vorstellen zu bereisen und spannende Fotosujets zu finden. In dieser Hinsicht bin ich offen. Diesen Sommer habe ich eine Fotoreise nach Norwegen geplant; darauf freue ich mich riesig.
Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 08/2022 vom 21. April 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.
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