Ziervogellexikon
Kanarienvogel: Ein munterer Sänger zieht um die Welt
Seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts werden Kanarien unter Menschenobhut gehalten. In diesem langen Domestikationsprozess entstanden zahlreiche Farbenschläge, Formen sowie Gesangsvögel.
Steckbrief Herkunft: Kanarische Inseln, Azoren und Madeira
Grösse: 13,5 bis 23 Zentimeter
Wildfarbe: gelblich mit brauner Strichelung
Mutationen: gelb, weiss, rot, geschenkt, insgesamt über 400 Farbenschläge
Geschlechtsunterschiede: Männchen singen melodiös und haben manchmal eine zapfenförmige Ausstülpung der Kloake. Bei Mosaikkanarien sind Männchen an der farbigen Gesichtsmaske erkennbar.
Ringgrösse: 3 mm
Lebenserwartung: 10 Jahre, seltener auch bis 16 Jahre
Platzansprüche: gesetzliche Vorschrift für zwei bis vier Kanarien 60 x 40 x 50 cm. Viel besser ist ein Käfig von ca. 1,50 x 0,50 x 0,50 Meter oder gar eine Zimmervoliere.
Ausstattung: natürliche Äste, Sand, Badegelegenheit
Stimme: Männchen singen und trällern melodiös, Weibchen haben einen dezenten Lockruf
Haltung: zu zweit, dürfen in der Schweiz nicht einzeln gehalten werden
Herkunft und Geschichte
Als die Spanier anfangs des 15. Jahrhunderts die Kanarischen Inseln eroberten, wurden sie auch mit dem Kanarengirlitz bekannt, der Wildform des Kanarienvogels. Ob Kanarengirlitze bereits von den Guanchen, den Ureinwohnern der Kanaren, gehalten wurden, ist nicht bekannt. Auch portugiesische Eroberer der Azoren haben bestimmt Kanarengirlitze gesichtet und vermutlich auch nach Europa gebracht. Anfangs wurden Kanarienvögel von Mönchen vermehrt, beispielsweise in einem Kloster in Cadiz. Spanier versuchten das Monopol über diese bald sehr beliebten Sänger zu behalten und gaben keine Weibchen ab. Das gelang aber nicht lange, so dass sich die Haltung und Zucht von Kanarien über ganz Europa ausbreitete und bis heute im südlichen Europa eine grosse Tradition hat. Durch die Zucht wurden Farben gefördert, so dass zuerst gelbe Kanarienvögel entstanden. Über die Jahrhunderte entstanden weitere Farbformen, und auch die Positur wurde züchterisch verändert. In einzelnen Regionen Europas wurden bestimmte Rassen herausgezüchtet. Mit dem Berner Kanarienvogel und dem Frisé Suisse hat auch die Schweiz ihre Rassen.
Eignung als Heimtier
Kanarienvögel sind geeignete Heimvögel, wenn sie auch nicht so zutraulich werden, dass sie beim Freiflug auf die Schulter fliegen und sich herumtragen lassen. Sie sind aber nicht scheu, da sie sich seit Jahrhunderten an das Leben im Käfig und an den Menschen gewöhnt haben. Das Singen der Männchen ist sehr angenehm. Sie ziehen auch vor den Augen der Menschen ihre Jungen auf.
Erwerb
Kanarienvögel gehören nach wie vor zum Standardangebot vieler Zoohandlungen. Sie können auch direkt bei Züchtern und auf Vogelbörsen erworben werden. Es ist nicht schwierig, Kanarienvögel zu finden. Bei speziellen Farbenschlägen und Positurkanarien aber ist es schon anspruchsvoller. Die Züchter solcher Vögel machen meist beim Verband Ziervögel Schweiz mit.
Ernährung und Pflege
Eine kommerzielle Samenmischung für Kanarien wird in jeder Zoohandlung geführt und sollte den Vögeln stets zur Verfügung stehen. Ergänzend kann im Frühling Keimfutter gereicht werden. Kanarien picken gerne von Gurke und Apfel. Ein Weichfutter, das auch im Handel geführt wird, kann mit geraffelten Rüebli angereichert werden. Kanarien mögen auch Quinoa und freuen sich über Gräser aus der Natur wie Vogelmiere und Raygras. Belaubte Äste aus dem Wald sind eine hervorragende natürliche Beschäftigung. Kanarienvögel nesteln an Knospen und Blättern. Kalkpulver und Grit zur freien Aufnahme gehören ebenso zur Grundausstattung wie ein Kalkstein oder eine Sepiaschale. Kanarien baden gerne täglich, oft mehrmals. Trockenes Laub kann als Käfigunterlage verwendet werden. Die Kanarien lieben es, darin herumzunesteln.
Zucht
Kanarien schreiten bereitwillig zur Brut. Es sollte ihnen allerdings eine Nisthilfe sowie Nistmaterial zur Verfügung stehen, denn sie bauen ein freistehendes Nest. Nistmaterial kann aus Gräsern bestehen. Der Zoohandel führt aber auch Nistmaterial, wie etwa Sisal oder Kokosfasern. Das Weibchen hat einen trillernden Lockruf, das Männchen singt. Es werden bis zu fünf Eier gelegt. Kanarien brüten vom ersten Ei an. Wer keine Nachzuchten möchte, kann zwei Männchen halten, wobei dann nur das Dominantere singen wird. Oder aber, die Eier werden angestochen, so dass das Weibchen den Bruttrieb ausleben kann. Reduziertes Licht führt dazu, dass die Vögel in die Mauser fallen, so dass die Zuchtzeit dann abgeschlossen ist.
Lustig
Es gibt rote Kanarienvögel, doch die Farbe Rot ist gar nicht in den Genen des Kanarengirlitzes enthalten. Handelt es sich um gefärbte Vögel? Nein, denn Züchter haben Kanarienvögel mit dem venezolanischen Kapuzenzeisig gekreuzt. So kam die rote Farbe in die Kanarienvogelzucht. Bei Mosaikkanarien, einem besonderen Farbenschlag, zeigen die Männchen noch die rote Gesichtsmaske, wie sie dem Kapuzenzeisig eigen ist.
Namensgebung
Die wissenschaftliche Bezeichnung des Kanarengirlitzes lautet Serinus canaria. Serinus ist die Gattungsbezeichnung für Girlitze; die Artbezeichnung weist auf die Kanaren hin. Der Zürcher Gelehrte Conrad Gessner erwähnt in seiner «Historia Animalium» im 16. Jahrhundert zum ersten Mal den Kanarengirlitz als Canarium aviculam.
Besonderheit
Kanarienvögel wurden in der Vergangenheit besonders von Bergleuten gezüchtet, beispielsweise im österreichischen Imst und dann auch im deutschen Harz. Die Arbeiter, welche die meiste Zeit des Tages unter der Erde verbrachten, hatten ein geschultes Gehör und trainierten den Kanarien einen besonderen Gesang an. Da der Gesang nicht vererbt, sondern im Jungendalter erlernt wird, wurden als Vorsänger Nachtigallen eingesetzt. So entstand der Gesangskanarienvogel. Die Bergleute nahmen Kanarien mit unter Tage, da sie Sauerstoffmangel rasch anzeigten. Gesangskanarien wurden schliesslich aus dem Harz in alle Welt verschifft, so auch nach St. Petersburg in Russland und in die USA.
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