In Aldein in den Südtiroler Bergen betreiben die beiden Jungbauern Andreas Kalser und JosefObkircher eine der innovativsten Pilzzuchten der Region. Auf ihrem Hof «im Thal» bauen sie Edelpilze wie Shiitake, Kräuterseitlinge und Austernpilze an – ganz ohne chemische Zusätze und mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit.

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Seit 2017 sind die beiden mit ihrer Vision, biologisch und umweltbewusst Pilze zu züchten, erfolgreichunterwegs. «Wir wollten etwas finden, das zukunftsträchtig ist und gut in unsere Zeit passt», erklärt der 33-jährige Jungbauer Andreas Kalser, während er die Pilzreihen in ihrem umgebauten Stadel inspiziert. «Es gab in Südtirol bisher kein vergleichbares Projekt, wir mussten wirklich ‹kirnig› sein – bodenständig und standhaft –, um das durchzuziehen», fügt er mit einem Lächeln hinzu. Gemeinsam mit Josef, der ebenfalls 33 Jahre alt ist, hat Andreas nach langer Überlegung und Recherche beschlossen, den traditionellen Apfelanbau auf seinem Hof um den Anbau von Edelpilzen zu erweitern.

Ihre Entscheidung fiel schliesslich auf Shiitake, Austernpilze und Kräuterseitlinge als Hauptsorten. «Der Shiitake kommt ursprünglich aus Japan und ist nicht nur aromatisch, sondern auch reich an Vitaminen und Mineralstoffen», erklärt Andreas stolz. «Der Kräuterseitling dagegen ist mediterranen Ursprungs und er-innert im Geschmack an Steinpilze.»

Learning by Doing

Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten: Woche für Woche produzieren die beiden Burschen zwischen einer und zwei Tonnen Pilze, die frisch an die heimischeGastronomie und über Bioläden direkt an Endkonsumenten verkauft werden. Ein besonderes Augenmerk legen sie auf die Qualität ihrer Pilze und den ökologischen Fussabdruck. «Unsere Pilze wachsen auf Holz-basis, was sie intensiver im Geschmack und fester in der Konsistenz macht», sagt der Junglandwirt. Zudem erfolgt die Zucht rein biologisch, ohne chemische Zusätze und mit einem grossen Bewusstsein für die Natur.

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Doch der Einstieg in den Edelpilzanbau war nicht einfach. «Es gibt kaum Standards oder Fachwissenim professionellen Pilzanbau, daher war Learningby doing unser Motto», erzählt Andreas. Einer der wichtigsten Faktoren beim Pilzanbau ist das Timing: Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Öffnen des Substrats, der richtige Zeitpunkt zur Ernte und wie schafft man ein relativ ruhiges Klima? Besonders das Kennenlernen der Anlage verlangte den beiden Agronomen so einiges ab.

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Dennoch haben sie es geschafft, mittlerweile fünf bis sieben Mitarbeiter zu beschäftigen und das ganze Jahr über Pilze anzubauen. «Ein grosser Vorteil beim Edelpilzanbau ist, dass wir wetterunabhängig sind», fügt der Jungunternehmer hinzu. Doch auch wenn das Geschäft momentan sehr gut läuft, denken die beiden bereits über die Zukunft nach. «Wir überlegen, wie wir das abgeerntete Substrat noch besser nutzen können», erzählt er. «Wir kompostieren es schon jetzt und verwenden es als Dünger für unsere Apfelbäume und Weinreben. Aber es wäre durchaus denkbar, professionellen Kompost daraus herzustellen.»

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Rückblickend sind die beiden froh, den Schritt gewagt zu haben. «Allein hätte ich es nicht gemacht», gibt Andreas zu. «Aber gemeinsam konnten Joseph und ich die Investition und das Risiko teilen. Zudem haben wir uns bei Rückschlägen gegenseitig motiviert.» Nach nunmehr sechs Jahren im Geschäft sind Andreas und Josef überzeugt, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Und der Erfolg gibt ihnen recht!

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Der Vielfaltsbauer vom Eisathhof

Nur 30 Minuten entfernt, auf 1315 Metern über dem Meeresspiegel, liegt der Eisathhof. Seit Generationen ist dieser Hof in Familienbesitz, doch seit 2015 weht ein frischer Wind durch die Felder und Gärten. Der damals erst 17-jährige Michael Pfeiffer beschloss, sich dem Erhalt alter und seltener Gemüsesorten zu widmen. Natürliches und schmackhaftes Gemüse vonalten, zum Teil vergessenen Kulturpflanzen und Raritäten sollte auf dem Bergbauernhof in Deutschnofen wachsen. Heute, fast zehn Jahre später, zählt der Hof rund 500 verschiedene Gemüse-, Kräuter- und Getreidesorten – eine beeindruckende Vielfalt, die ihres-gleichen sucht.

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«Das Wichtigste ist für mich jedoch nicht die Masse an Erzeugnissen, sondern die Nachhaltigkeit», betont Michael Pfeiffer, während er durch seine Beete geht. Der junge Landwirt, der sich selbst als «Vielfaltsbauer» bezeichnet, legt grossen Wert darauf, die Natur zurespektieren und mit ihr zu arbeiten anstatt gegen sie. Dies ist der Grund, warum er sich für die Permakultur entschieden hat – eine landwirtschaftliche Methode, bei der Pflanzen in enger Nachbarschaft angebaut werden, um ein günstiges Mikroklima zu schaffen. «Auf unserem Hang erwärmt sich der Boden besonders gut, was den Pflanzen zugutekommt», erklärt er. «Durch das Mulchen mit Gras bleibt der Boden fruchtbar und speichert Kohlenstoff, was dem Klima hilft.» Für Pfeiffer ist klar, dass ein gesunder Boden die Grundlage für hohe Erträge und nachhaltige Landwirtschaft ist.

Ein weiteres Thema, das Michael Pfeiffer besonders am Herzen liegt, ist der Erhalt samenfester Sorten. «Es geht dabei um mehr als nur Pflanzen – es geht um das Wissen und die Resilienz, die mit den alten Sorten verloren gehen», erklärt er enthusiastisch. Mit seinem Gemüse und den Kräutern beliefert Pfeiffer momentan nur wenige private Kunden, sondern hauptsächlich Restaurants in der Region. «95 Prozent meiner Ernte gehen direkt in die Gastronomie», sagt er. «Ich arbeite mit Küchenchefs zusammen, die meine Leidenschaft für Qualität und Vielfalt teilen.» Darunter befindet sich unter anderem die mit einem Michelin-Stern aus-gezeichnete Johannesstube von Theodor Falser. «Es ist toll, zu sehen, wie unsere Produkte in der gehobenen Küche verarbeitet werden», fügt er begeistert hinzu.

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Die Landwirtschaft in Südtirol ist traditionell auf Wein, Milch und Äpfel ausgerichtet. Doch Michael Pfeiffer sieht ein viel grösseres Potenzial in der Region. «Hier könnte so viel mehr wachsen», erklärt er. «Theoretisch kann man sogar Bananen anbauen. Warum also alles aus Italien und dem Ausland hierher karren, wenn wir fast alles direkt vor Ort produzieren könnten?»

Exoten aus den Bergen

Sein Ziel ist es, dass mehr Landwirte in der Region den Mut finden, die Vielfalt der Region zu fördern. Und so wachsen auf dem Eisathhof nicht nur die klassischen Sorten wie Kartoffeln und Kohl, sondern auch exotischere Pflanzen wie Baumspinat, Neuseeländer Spinat oder Wasserpfeffer. «Zu dem Exotischsten, was ichanbaue, gehört die Haferwurzel. Viele kennen sie gar nicht mehr, dabei war sie früher sehr beliebt», sagt Pfeiffer und deutet auf seine unzähligen Beete. Seine allergrösste Leidenschaft aber gilt den Tomaten: «Insgesamt baue ich 120 verschiedene Tomatensorten an – von gross bis klein, in allen Farben und Geschmacksrichtungen. Tomaten sind einfach meine Passion.» Seit ein paarJahren verkauft er im Frühjahr auch Tomatensetzlinge.

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Der Farmfluencer Pfeiffer weiss, dass Effizienz bei so vielen verschiedenen Sorten unerlässlich ist. «Alle unsere Beete sind 75 Zentimeter breit, mit 35 Zenti-meter breiten Wegen dazwischen», erklärt er. Durch diese Struktur und intensive Planung schafft es Pfeiffer, die Beete zweimal im Jahr zu bestellen –manchmal sogar dreimal. «Das macht unsere Anbaumethode effi-zient. Die industrielle Landwirtschaft benötigt für den gleichen Ertrag mindestens doppelt so viel Fläche», fügt er hinzu. Auf dem Eisathhof läuft die Produktion das ganze Jahr hindurch. In selbst gebauten Folientunneln wachsen Tomaten, Gurken und Salate auch im Winter, wenn draussen der Schnee meterhoch liegt. «Unsere Schnitt- und Feldsalate halten in den Tunneln das ganze Jahr durch, weil dort der Boden nie gefriert», erklärt Pfeiffer. Im Sommer kommen dann weitere Ernten hinzu – der Hof ist optimal auf die Herausforderungen der Permakultur eingestellt. Die vielen verschiedenen Sorten ergänzen sich hervorragend. «Nehmen wir zum Beispiel Kohl: Die eine Sorte braucht 60 Tage bis zur Ernte, die nächste 70 und die dritte 80 Tage. So habe ich immer frischen Kohl», erläutert Pfeiffer. Durch geschickte Planung beginnt der Landwirt die Anbausaison besonders früh, um den Grossteil des Jahres die Gastronomie mit frischen Produkten versorgen zu können. «Bei mir gibt es den ersten Kohl bereits, wenn andere Gärtnereien gerade erst ihre Pflanzen setzen», sagt er stolz. Eine Neuheit auf dem Hof ist die Wildobsthecke, die Pfeiffer angelegt hat. «Aronia, Felsenbirne, Mai-birne – das alles wächst hier und lockt Nützlinge an», erzählt er. Für ihn ist klar: Vielfalt ist der Schlüssel zum Erfolg – und ein blühender Acker sorgt nicht nur für leckeres Gemüse, sondern auch für ein gesundes Ökosystem. Michael Pfeiffer zeigt eindrucksvoll, dass die Landwirtschaft der Zukunft nicht nur ertragreich, sondern auch nachhaltig und vielfältig sein kann.

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Ganz in der Nähe, im malerischen Dorf Altrei, wird seit über 100 Jahren eine besondere Pflanze angebaut: die Voltruier Lupine, auch bekannt als «Altreiner Kaffeebohne». Trotz ihres Namens gehört sie nicht zu den Bohnen, und Kaffee ist sie auch nicht. Sie ist eineLupine – eine «behaarte Lupine» (Lupinus pilosus Murr) – und war als Getränk in ganz Südtirol bekannt.

Der Kaffee der armen Leute

«Schon meine Oma hat immer gesagt, Lupine, das war der Kaffee der armen Leute», erinnert sich Adele Huber, eine engagierte Verfechterin des Lupinenkaffees und Betreiberin des Hotels Langeshof in Altrei. Besonders in den Nachkriegsjahren bis in die 1960er-Jahre war die Voltruier Lupine ein beliebter Kaffeeersatz, bevor der klassische Bohnenkaffee nach und nach die Oberhand gewann. Um den bitteren Mandelgeschmack zu mildern, wurde der Lupinenkaffee oft mit Gerste, Feigen, Zuckerrüben oder Weizen gemischt. Doch obwohl der Geschmack unverwechselbar war, wurde er zu-nehmend aus den Haushalten verdrängt – bis zu seiner Wiederentdeckung. «In den 1980er-Jahren haben wir wieder angefangen, die Lupine anzubauen», erinnert sich Huber. «Es war eine Bäuerin, die alte Kaffeesamen über 30 Jahre lang in einem Stoffsack aufbewahrthatte. Dank dieser alten Samen konnten wir die Tradition wieder aufleben lassen.»

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Heute wird die Voltruier Lupine von etwa 15 Bauern auf kleinen Äckern rund um Altrei angebaut. Die Aussaat erfolgt im Frühjahr, sobald die Böden nicht mehr gefroren sind. Besonders zu Beginn der Kultur ist eine ausreichende Feuchtigkeit wichtig, danach kann die Pflanze auch trockene Sommer gut überstehen. Die Arbeit, die in die Ernte fliesst, ist nach wie vor mühsam und zeitaufwendig. Die Samen reifen nicht gleichzeitig, und sobald sie reif sind, springen die Hülsen auf und verstreuen die Samen auf den Feldern. «Deshalb müssen wir drei- bis viermal pro Woche ernten – und das alles von Hand», betont Huber.

Ein arbeitsintensives Kulturgut

Auf einer Fläche von etwa 50 Quadratmetern können in einem guten Jahr etwa 15 Kilo Samen geerntet werden, insgesamt sind es jährlich etwa 150 Kilo, die in Altrei für den Verkauf produziert werden. Der Aufwand für den Anbau und die Ernte ist gross, und finanziell lohnt es sich kaum. «Wir hatten mal einen Landwirt, der hat sich seinen Stundenlohn ausgerechnet: 3,50 Euro», erzählt Huber mit einem Lächeln.

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Nach der Ernte werden die Lupinensamen traditionell in Gitternetzen oder Körben getrocknet, bevor sie geröstet und gemahlen werden. Der fertige Lupinenkaffee ist glutenfrei, koffeinfrei und soll durch seine Bitterstoffe die Verdauung fördern. Besonders fürDiabetiker wird er als besonders bekömmlich ange-sehen. Der Altreiner Lupinenkaffee hat einen besonderen, leicht nussigen Geschmack, der an bittere Mandeln erinnert. Früher wurde er gemischt, um dieBitterkeit zu mildern. Heute wird er pur genossen oder in besonderen Rezepten verwendet. «Es gibt Pannacotta mit Lupine, Schokoladenfüllungen und sogar Grappa mit Lupinenaroma», schwärmt Huber. Doch Vorsicht ist geboten: «Roh kann man diese Lupinenart nicht essen», warnt sie. «Erst durch das Rösten verlieren die Alkaloide ihre Giftigkeit.»

Finanziell lohnt sich der Anbau der Voltruier Lupine nicht, doch Bauern und Dorfbewohner haben mit ihr nicht nur eine alte Tradition wiederbelebt, sondern ein Stück Kultur bewahrt, das einst fast in Vergessenheit geraten wäre. «Die Lupine ist nicht nur ein Produkt», sagt Huber abschliessend, «sie ist ein Teil unserer Geschichte und Identität. Und solange es Menschen gibt, die diese Pflanze lieben, wird sie weiterwachsen.» Und so werden in den Sommermonaten, wenn die Lupine in voller Blüte steht, die Felder rund um Altrei weiterhin in einem intensiven Blau leuchten.

Kirnig EdelpilzeKalser Andreas & Obkircher JosefThalweg 10, 39040 Aldein,

Zur Webseite von Kirnig

Altreier LupinenkaffeeDer koffeinfreier Kaffee-Ersatz kann im Hotel Langeshof, Katharina-Lanz-Straße 3, 39040 Altrei genossen werden.

Zur Webseite vom Langeshof

Eisathhofs Michael Pfeifer. Schwarzenbach 12, 39050 Deutschnofen

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