Aufgehübschte und umgenutzte Silos
Silos in neuem Gewand
Turmhohe Getreidesilos prägen das Landschaftsbild. Dabei stellen diese grauen Betonriesen meist nicht gerade eine Augenweide dar. Ein Street-Art-Künstler aus Luzern und ein Verein aus Österreich zeigen, wie Silos zu Eyecatchern werden und klimafreundliche Nutzungsmöglichkeiten eröffnen.
In Australien und Nordamerika wurde es zur Tradition, Silos künstlerisch aufzuwerten. Und in der ehemaligen «Bauzone»-Kolumne des «Tagesanzeigers» ist zu lesen, wie in den ländlichen Gebieten der USA umgebaute Metallsilos ein eigenes Subgenre des «Country Living» bilden. In der Schweiz nehmen Siloumnutzungskonzepte für Wohnraum erst allmählich Fahrt auf. Ein Architekturprojekt mit Strahlkraft ist das Design- und Boutique-Hostel Silo, das in einem Kakaosilo in Basel eingerichtet wurde. Furore machte auch Familie Noser aus dem luzernischen Wikon, die ihr vor-fabriziertes Haus per Spezialkran auf ein ausgemustertes Getreidesilo hieven liess.
Ein zweites Silogestaltungsprojekt im Raum Luzern zieht die Blicke auf sich. In Rothenburg, vor Luzern, äugt den Autofahrerinnen und Zugpassagieren von einem Futtersilo eine bunte Tiergruppe in riesiger Dimension entgegen. Auf dem mit 45 Meter Höhe und 36 Meter Breite grössten Wandbild der Schweiz ist ein Tierseptett mit rotem Kaninchen, blauem Schwein und adrett gekleideten Katzen verewigt.
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Einem Marathon gleich
Wie es zu diesem monumentalen Werk am Silo der Niederhäuser Futter AG kam, erzählt Linus von Moos. Der Luzerner Street-Art-Künstler hat mit Fabian «Bane» Florin aus Chur das brutalistische Betonmonument in ein farbenfrohes Kunstwerk verwandelt und damit einer der schweizweit ersten bemalten Silotürme erschaffen.
Die Idee kam vom Management des Berner Künstlers Timmermahn. Als Hommage hatte Agentin Katha Langstrumpf zu dessen 80. Geburtstag organisiert, dass die Futtermühle ihr Silo zur Verewigung eines Werkes von Timmermahn zur Verfügung stellte – eines Gemäldes mit bewegter Geschichte, denn das Original hängt im Tierspital Bern. Der Künstler hatte es einst zur Begleichung einer Rechnung für die Behandlung seiner Katze angefertigt. Rips1 (rips1.ch), wie sich Linus von Moos als Künstler nennt, und Bane wurden dazu auserwählt, das Bild in riesigen Dimensionen an die Silowände zu malen, da sie bereits in Chur den Mühleturm gemeinsam verschönert hatten. Auch Lionel David und Robert Dörre wirkten am Rothenburger Projekt mit.
Mit 1000 Litern Farbe machten sich die Maler auf, das Erscheinungsbild des Turmes zu verwandeln. Zwei Monate waren dafür eingeplant, wegen Wetterpech wurden daraus drei. «Die Bemalung des Silos war mit einem Marathon vergleichbar, mit Höhen, Tiefen und einem grossen Erfolgserlebnis am Schluss», sagt Linus von Moos. Eine akribische Planung war Voraussetzung, denn der Platz auf dem schweizweit höchsten Fassadenlift war sehr begrenzt.
Erfahrung brachte der sympathische Innerschweizer genügend mit, wenn auch mit kleindimensionierteren Bildern. Als Jugendlicher war er zum Graffitisprayen gekommen. «Meine Kunstwerke verewigte ich in Unterführungen.» Später wurde sein Wirkungskreis offizieller. Nach der Lehre zum Dekorationsgestalter absolvierte er Praktika im grafischen Bereich. Die Spraydose wurde gegen den Farbroller ausgetauscht und die Wände der Unterführungen gegen Wände in Hotellobbys, Konzertsälen oder Hausfassaden. Die Motive geben jeweils die Wand, die Umgebung und die Auftraggeber vor, so von Moos. Die Natur spielt in Form von Vögeln, Blätterornamenten oder Blumenmustern eine bedeutende Rolle im Oeuvre des Urban-Art-Künstlers. «Für mich ist die Natur inspirierend und ich möchte auf ihre Schönheit aufmerksam machen. Zudem stellt sie einen Kontrast zum städtischen Raum dar, den ich bespiele.»
Ein nächstes Siloprojekt könnte sich der Luzerner gut vorstellen, die grossdimensionierte Arbeit im Freien sagt ihm zu, auch wenn sie körperlich und mental anstrengend ist. «Die Erstellung des Silobildes in Rothenburg war ein tolles Erlebnis, als Nächstes möchte ich ein eigenes Sujet umsetzen.»Denn auch das Motiv des Mühleturms in Chur stammte nicht aus des Künstlers eigener Hand, sondern von der Gewinnerin eines Schülerwettbewerbes.
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Österreichische Silosophie
Auf dieselbe Art stellte es der Verein Silosophie aus Österreich an, um die Bevölkerung in ihre Siloumgestaltungsprojekte miteinzubeziehen. «Beim 50 Meter hohen Siloturm in Engelhartstetten waren die Menschen aus der Region eingeladen, ihre Gestaltungsvorschläge einzubringen», erzählt Armin Knöbl. Knöbl studierte Soziale Ökologie und beschäftige sich in seiner Masterarbeit mit nachhaltigen Nutzungsmöglichkeiten für Getreidespeichertürme. Mit einer Gruppe Studierender, die sich mit der Nutzung der Fotovoltaik auseinandersetzen, schloss er sich vor gut drei Jahren zum Verein zusammen. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, die über 300 Silotürme unseres Nachbarlandes in Wahrzeichen der Zukunft umzugestalten.
Die sechs jungen Macher verwandeln Silos in Energiespeicher und in Kunstwerke. Am Getreidespeicherturm an der slowakischen Grenze wurden südseitig 174 Fotovoltaikplatten angebracht, die drei übrigen Fassaden verschönerte die Ripp Off Crew mit farbenfrohen Kunstwerken. Dem ersten umgesetzten Projekt soll demnächst ein weiteres folgen, das Konzept wurde bereits eingereicht. Von der Projektidee bis zur fertiggestellten Umgestaltung vergeht mehr als ein Jahr, darin sind sich die schweizerischen und österreichischen Silopioniere einig.
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Den Umgestaltungsprojekten in der Schweiz und in Österreich ist ebenfalls gemeinsam, dass die Bevölkerung durchwegs positiv auf die Speichermonumente im neuen Gewand reagiert. Umso besser, denn turmhohe Grossleinwände sind noch zur Genüge vorhanden.
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