Boom der Billigplattformen
Temu & Shein im Umwelt-Check: Warum Billigware die Welt teuer zu stehen kommt
Die günstigen Angebote von Onlineshops wie Temu und Shein aus China locken auch in der Schweiz massenhaft Kunden an. Doch der Boom dieser Billigplattformen hat gravierende Folgen: Sie bedrohen nicht nur lokale Händler und rufen Verbraucherschützer auf den Plan, sondern belasten auch die Umwelt.
Ein Rucksack für 12 Franken, ein Sommerkleid für 6 Franken, Notizbücher für 90 Rappen – die Preise der Onlineshops aus China sind verlockend billig und ziehen entsprechend auch in der Schweiz massenhaft Kundschaft an. Nicht nur Detailhändler und Verbraucherschützer beklagen sich über den Boom von Temu, Shein und Co., auch Umweltexperten schlagen Alarm. Denn die günstigen Onlinehändler produzieren ihre Waren nicht nur unter fragwürdigen Umständen in China, sondern gehen mit dem Versprechen auf schnelle Lieferung auch nicht gerade umweltfreundliche Wege.
Waren aus China kommen üblicherweise per Schiff nach Europa, wo sie über Verteilzentren an die lokalen Läden gehen oder per Post zum Endkunden. Über den herkömmlichen Weg kann es so ein paar Wochen dauern, bis die Ware eintrifft. Bei Temu und Shein werden die Produkte direkt aus China per Luftpost an die Kunden geliefert. Das macht laut René Itten einen deutlichen Unterschied in der CO2-Bilanz. Er ist Experte am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil. Der Transport per Flugzeug verbrauche im Vergleich zum Schiff etwa 50 Mal mehr Treibstoff, rechnet Itten gegenüber dem SRF vor. Das führt dazu, dass allein der Transport vieler der billigen Produkte um ein Vielfaches mehr an CO2 produziert als deren Herstellung und Entsorgung.
Dass der Transport per Luftfracht Temu und letztlich den Kunden nicht teurer zu stehen kommt, liegt unter anderem daran, dass das Unternehmen die kleinen und leichten Sendungen in Flugzeugen unterbringt, die bereits praktisch voll beladen sind. So können Temu und Co. bessere Konditionen für den Transport verhandeln. Die leichte Mehrfachverpackung in Plastiksäcke offenbart einen weiteren Aspekt der Umweltbelastung. Das Plastikmaterial ist im Gegensatz zu Karton alles andere als biologisch abbaubar und wird im besten Fall recycelt, im schlimmsten Fall landet es auf einer Mülldeponie oder wird unter Freisetzung weiterer Emissionen verbrannt.
Konsumdruck um jeden Preis
Ein weiteres Problem der Billigläden ist die Förderung des Überkonsums. Bei Temu werden dem Nutzer zum Beispiel laufend Produkte vorgeschlagen, die er aufgrund seines bisherigen Verhaltens in der App kaufen könnte. Mit sogenannten «Blitzangeboten» werden die günstigen Preise kurzfristig nochmals mit Rabatten gedrückt und verleitet zu unüberlegten Käufen. So kommt Temu nach eigenen Angaben über 61 Milliarden Bestellungen pro Jahr, nicht zuletzt dank des zusätzlichen intensiven Marketings auf den Social-Media-Plattformen. Selbst nach dem Auschecken des Warenkorbs besteht noch die Möglichkeit, per Ein-Klick-Zahlung Produkte ohne Zusatzkosten der Lieferung hinzuzufügen. Die unschlagbar niedrigen Preise lassen viele da nicht zweimal überlegen. Und so liegt ein nicht unwesentlicher Teil der Produkte zwangsläufig ungenutzt zu Hause herum oder landet nach kurzer Zeit im Müll, weil man sie eigentlich nicht wirklich gebraucht hätte.
Hinzu kommt, dass zum Beispiel im günstigen Preis von Elektrogeräten, die direkt aus China bestellt werden, keine Recycling-Beiträge enthalten sind, anders als auf Geräten aus dem Schweizer Detailhandel. Mit der Änderung des Umweltschutzgesetzes (USG) vom 15. März 2024 wurde daher ein Paragraf mit aufgenommen, in dem ausdrücklich erwähnt wird, dass ausländische Online-Versandhandelsunternehmen dazu verpflichtet werden können, vorgezogene Entsorgungsgebühren zu entrichten. Konsequenzen hat das für Temu und Co. bisher nicht, wie auch viele Parlamentarier bemängeln. Ob es am gerade erst erneuerten Handelsabkommen mit China liegt oder am Mangel der praktischen Umsetzbarkeit, darüber kann man nur mutmassen. Fakt ist, dass der Massenkonsum nicht nur den Zoll überfordert, sondern bisher offenbar auch die Schweizer Politik.
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