Interview mit dem Kuhfluencer
Aus dem Stadttrubel ins Kuhparadies
Joar Berge wuchs im ländlichen Odenwald auf, verbrachte aber den grösseren Teil seines Lebens in Städten wie Mannheim, Köln, Berlin oder Antibes. 2019 entschied er sich aufs Land zu seinen Seelentieren, den Rindern, zurückzukehren.
Herr Berge, Sie waren in der IT-Branche tätig und führten ein aufregendes Leben in verschiedenen Grossstädten. Nun teilen Sie Ihr Zuhause im Odenwald mit Rindern und anderen Tieren – wie kam es zu diesem Richtungswechsel?
Ich bringe die Verbindung zu Kühen aus meiner frühen Kindheit mit. Ich war solange ich denken kann immer auf den Bauernhöfen unterwegs und vor allem mit Kühen zusammen. Mit acht Jahren bekam ich das Pflegekalb Rexi. Rexi wurde über einige Jahre meine beste Freundin. Wir waren jeden Tag zusammen, sind spazieren gegangen, später habe ich mich auf sie draufgesetzt und bin mit ihr durchs Dorf spaziert. Sowas wie einreiten oder trainieren kannte ich nicht. Die Verbindung war sehr intuitiv. Diese Zeit hat mich sehr geprägt und nie wieder losgelassen. Trotz rund 25 Jahre urbaner Auszeit, waren die Kühe immer da, genau wie der Traum von eigenen Kühen. Viele Jahre war dafür nicht die richtige Zeit. Diese Zeit war getrieben durch das Grossstadtleben, Partnerschaften, Beruf und Events. Als ich 2018 an die Côte d’Azur ausgewandert bin, wurde es ruhiger. Diese Stille haben die Kühe genutzt, um sich wieder in den Vordergrund zu drängen. Als ich das zum ersten Mal wirklich wieder zugelassen habe und meinem Herzen gefolgt bin, war dies nicht mehr aufzuhalten. Also habe ich entschieden meinen Weg zurück zu den Wurzeln anzutreten.
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Ihre grosse Liebe gilt den Rindern – was fasziniert Sie an diesen Tieren?
Kühe waren für mich schon immer wie die Schulter zum anlehnen. Obwohl oder gerade weil sie so grosse, starke Tiere sind, strahlen sie für mich eine enorme Ruhe aus. Sie sind wahre Meditationslehrmeisterinnen. Auch wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen, so herrscht zwischen uns eine besondere Verbindung, die sich schwer in Worten ausdrücken lässt.
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Gemeinsam mit Freunden haben Sie einen Lebenshof gegründet, sind Sie ein Gegner der landwirtschaftlichen Nutzung von Tieren?
Jedes Leben ist wertvoll. Wenn man beginnt den Tieren auf Augenhöhe zu begegnen und sie als wirkliche Freunde zu sehen, erübrigt sich auf natürliche Weise diese Frage. Ich wünsche jedem domestizierten Tier – ganz gleich, ob Haus- oder sogenanntes Nutztier –, dass es seinen Menschen hat, dessen Augen leuchten, wenn er oder sie dem Tier begegnet. Das haben sie nicht nur verdient, sondern sie würden uns das gleiche Leuchten entgegenbringen und die Welt wäre sowohl für Tiere als auch Menschen eine bessere.
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Sie widmen Ihr Leben nun komplett den Tieren. Gibt es Dinge aus ihrem früheren Leben, die Sie vermissen und welche unerwarteten Herausforderungen bringt das Landleben mit sich?
Die Tiere, der Lebenshof sowie die Menschen, die dazugehören, sind mein Leben. Dafür bin ich sehr dankbar. Es gibt keinen Plan C. Das, was ich heute tue, ist zu meiner persönlichen Berufung geworden. Einige Menschen, die mich im früheren Leben schon begleitet haben, tun das heute noch und sind Teil der Familie. Das ist ein grosses Geschenk.
Können Sie beschreiben was Ihnen und auch den Besuchern Ihres Hofes die grosse Nähe zu den Rindern gibt?
In den meisten Fällen erlebe ich Besucherinnen, die die Tiere als solches sehen, was sie sind. Individuelle Persönlichkeiten mit ihren ganz eigenen Emotionen, Gefühlen, Sorgen und ihrem speziellen Humor. Solche Besuche sind nicht mit einem Zoo-Besuch zu vergleichen, sondern hier entstehen echte Verbindungen und sogar Freundschaften. Um die Ruhe, die vor allem um die Kühe entsteht, kommt dabei niemand umhin.
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Sie geben in Ihrem Buch «Kühe kuscheln» und auch auf Instagram Einblick in Ihr Leben mit den Tieren – wen und was möchten Sie damit erreichen?
Ich möchte Menschen dazu inspirieren, ihre Träume zu leben – ganz gleich, was es auch ist. Vor allem, weil ich weiss, wie sehr es sich lohnt. Ich sehe mich zudem als Botschafter der sogenannten Nutztiere und möchte ihnen durch meine Videos, Bilder auch dem Buch eine Stimme geben. Sie haben so viel zu erzählen, wenn man ihnen zuhört. Sie können das viel besser ausdrücken, als wir das können.
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Haben Sie einen vierbeinigen Liebling? Falls ja können Sie uns Ihr Lieblingstier beschreiben?
Jedes Tier hat einen grossen Platz in meinem Herzen, egal ob Kuh, Schwein oder Pute. Mit allen erlebe ich immer wieder besondere Momente, die mich sehr berühren. Mit Rind Luise (3) habe ich eine ganz besondere Verbindung. Ähnlich wie ein Hund, zeigt sie sehr deutlich ihre Emotionen und hat auf ihre ganz eigene Art, viel Heilung und Frieden in mein Leben gebracht. Im Sommer auf der Weide legt sie sich gerne bei mir auf die Picknickdecke oder ich sitze noch lange nach Einbruch der Dunkelheit bei ihr. Ohne, dass hierfür auch nur ein einziges Wort fallen muss.
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