Die Krux mit der Zeitumstellung
Wie stecken Nutztiere den Wechsel in die Winterzeit weg?
Am 29. Oktober 2023 wird die Uhr wieder eine Stunde zurückgedreht. Es ist bekannt, dass mit Beginn der Winterzeit die Gefahr für Wildunfälle steigt. Die Stosszeiten des Berufsverkehrs fallen dann wieder auf die Dämmerung, wenn viel Wild unterwegs ist. Hat der veränderte Rhythmus auch auf Nutztiere negative Auswirkungen?
Menschen wie Tiere verfügen über eine innere Uhr, die den Hormonhaushalt und die Pulsfrequenz regelt. Wenn der Tag plötzlich eine Stunde kürzer ist, passen die innere und die äussere Uhr für einen gewissen Zeitraum nicht mehr überein. Das kann Symptome wie bei einem kleinen Jet-Lag auslösen. Wie stark ein Tier darauf mit Müdigkeit oder Appetitlosigkeit reagiert, ist unterschiedlich. Wie Menschen können auch Nutztiere in der Phase der Zeitumstellung weniger leitungsfähig sein. Das heisst, dass Kühe beispielsweise während einigen Tagen weniger Milch geben können.
Nutztiere können ihren Tagesrhythmus nicht wie Wildtiere selbständig den neuen Gegebenheiten anpassen. Sie sind abhängig davon, wann die sie betreuenden Menschen für die Fütterung oder das Melken vorbeikommen. Landwirtschaftliche Nutztiere haben Biorhythmen, die teilweise demjenigen des Menschen ähneln, in anderen Fällen aber ganz unterschiedlich sind. Unserem menschlichen Tagesablauf am ähnlichsten ist derjenige des Schweins. Schweine sind morgens aktiv, bauen mittags gerne eine Ruhepause ein und nachts legen sie sich schlafen. Rinder und Pferde haben auch tagsüber Ruhephasen, dafür aber nachts Aktivitätsphasen, während denen sie gerne Nahrung aufnehmen. Hühner wiederum sind klassisch lichtgesteuert. Sie erwachen mit den ersten Sonnenstrahlen und suchen sich, sobald die Dämmerung hereinbricht einen erhöhten Schlafplatz aus.
Hilfe bei der Umstellung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie den Tieren dabei geholfen werden kann, wenn dieser natürliche Ablauf eine Störung erfährt. Bei Kühen ist es sinnvoll die Melk- und Fütterungszeit über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen Schritt für Schritt anzupassen. Also jeden Tag etwa fünf Minuten später zu Melken und zu Füttern. Bei automatischen Melksystemen (Melkrobotern) können die Tiere selbst wählen, wann und in welchen Abständen sie gemolken werden möchten – hier hat die Zeitumstellung keinen Einfluss.
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Experten sagen, dass Managementsysteme, die dem originalen Biorhythmus zuwiderlaufen schlimmere Auswirkungen haben als die Zeitumstellung. Also wenn in der Geflügelmast die Tiere während der Dunkelheit viel künstlicher Lichteinstrahlung ausgesetzt werden, um die Nahrungsaufnahme zu erhöhen. Oder wenn Sauen mitten in der Nacht automatisiert eine Futterration erhalten. Bei der Zeitumstellung seien die Tiere nur wenige Tage etwas irritiert und würden sich schnell an die neuen Umstände anpassen. Solche Massnahmen, die der Leistungssteigerung dienen, bringen den Biorhythmus jedoch dauerhaft aus dem Gleichgewicht.
Radikale Ideen
Argentinische Forscher haben herausgefunden, dass die Anpassungszeit bei Tieren durch die Verabreichung des Viagra-Wirkstoffes Sildenafil verkürzt werden kann. Dieser Wirkstoff erhöht den Gehalt des zellulären Botenstoffes Cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) im Blut. Dieser sorgt für die Weiterleitung von Signalen innerhalb der Zellen. Bei Zunahme des cGMP-Gehaltes läuft die innere Uhr schneller, sodass der Zeitunterschied sehr bald ausgeglichen ist.
Eine noch radikalere Massnahme forderte eine 2019 von Bergbauer Armin Capaul und Mitstreitern lancierte Volksinitiative. Diese verlangte, dass die 1981 in der Schweiz eingeführte Sommerzeit wieder abgeschafft würde. Daraus wurde bisher nichts, was aber im Hinblick auf das Wohlergehen der Nutztiere nicht wirklich schlimm ist. Denn die biologischen Auswirkungen der Zeitumstellung sind nur kurzfristig. Schon nach wenigen Tagen, haben sich die Rinder, Sauen und Hühner an die neuen Fütterungszeiten gewohnt.
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