Sie fangen mit Schläuchen, Kannen, Klappfallen und klebrigen Tropfen: fleischfressende oder karnivore Pflanzen. «Dass Tiere Pflanzen fressen, ist bekannt, aber dass es auch umgekehrt geht, finde ich faszinierend», sagt Edith Zemp. Fleischfressende Pflanzen seien eine von vielen ihrer Leidenschaften. Die Gärtnerin des Botanischen Gartens Basel betreut Kübelpflanzen, Sukkulenten und das Viktoriahaus mit der Wasser- und Sumpfpflanzensammlung.

Fleischfresser überall im Garten verteilt

Vor dem Eingang zum Rundhaus stehen auch Schalen mit Schlauchpflanzen aus Nordamerika. «Sie sind winterhart», betont die Pflanzenspezialistin. In Nordamerika würden sie durch eine Schneeschicht geschützt. «Im Winter, wenn keine Insekten fliegen, betreiben die Pflanzen lediglich Photosynthese.»

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Es gibt über 1000 verschiedene Arten von karnivoren Pflanzen. Etliche gedeihen an verschiedenen Stellen im Botanischen Garten Basel. «Wir zeigen nur solche, die auch im Gartenhandel erhältlich sind.» Rare Exemplare seien im nicht öffentlichen Teil untergebracht, da sie sonst gestohlen würden, sagt die Pflanzenexpertin.

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Verschiedene Fangtechniken

Fleischfressende Pflanzen wachsen dort, wo es für andere Gewächse schwierig wäre zu überleben: in Mooren oder auf felsigem Grund, so etwa auf Tafelbergen. «Wo sie gedeihen, ist es feucht, und es hat wenig Nährstoffe», betont die erfahrene Gärtnerin. Edith Zemp ist seit 21 Jahren im Botanischen Garten der Universität Basel tätig. Sie sagt: «Da die Karnivoren kaum Nährstoffe aus dem Boden beziehen können, haben sie Techniken entwickelt, Insekten zu fangen.» Entweder bleiben Insekten kleben, sie werden in Klappfallen gefangen, in Saugfallen im Falle der unter Wasser ausgebildeten Fallen, in Schläuchen oder Kannen.

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Zurück bleibt nur der Chitinpanzer

Die Schläuche der nordamerikanischen Sarracenien oder Schlauchpflanzen leuchten rot wie Fleisch und locken durch ihr Äusseres und durch Gerüche Insekten an. Einmal im länglichen Schlauch rutschen sie an den glatten Rändern ab. Oft haben die Schläuche im oberen Bereich Härchen, die ein Entkommen zusätzlich erschweren. Zuunterst im Trichter wird das Insekt in einem besonderen Enzym zersetzt. Zurück bleibt nur der Chitinpanzer. Wenn kaum Insekten fliegen, investieren Schlauchpflanzen oder Sarracenien nicht so viel Energie in das Wachstum eines Schlauchs. «Sie bilden dann einfache Blätter aus», erklärt Edith Zemp.

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Kannen als Blattfortsätze

Einzig die bekannte Venusfliegenfalle und der Sonnentau können Fangblätter und Tentakel leicht bewegen. Die anderen Karnivoren stehen unbeweglich da und locken mit ihren Farben und Gerüchen Insekten an. So beispielsweise auch die Kannenpflanze oder Nephentes. Sie ist hauptsächlich in Asien verbreitet, mit einem Standort in Madagaskar und auf den Seychellen. Sie überwuchert Felsplateaus, wo es heiss ist und Gewitterregen niedergehen. Um sich Nahrung zuzuführen, fängt sie in ihren Kannen Insekten. «Darin vermischt sich Regenwasser mit Enzymen, welche die Pflanze bildet, um Insekten zu fangen», erklärt Edith Zemp. Wer im Regenwald am Verdursten sei, könne vom Wasser aus diesen Kannen trinken. «Das ist besser, als Wasser irgendwo aus einem Bach zu trinken.» Bei den dekorativen Kannen handelt es sich um Blattfortsätze.

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Mit klebrigen Blättern fangen

Auf den ersten Blick würden man die Fettkräuter (Pinguicula) nicht zu den Fleischfressern rechnen. Sie stammen mehrheitlich aus Mittelamerika. Nur vier Ausnahmen sind in Europa verbreitet. Die Blattoberflächen sind mit Drüsen versehen, die ein Fangsekret ausscheiden, an dem Beutetiere kleben bleiben. Dieses Sekret lässt die Blätter fettig glänzen.

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Die Teufelshand

Als Kuriosum erwähnt Edith Zemp die präkarnivore Gattung Proboscidea. Die Pflanze Proboscidea parviflora gedeiht im Botanischen Garten Basel an der Seitenwand des Nebelwaldhauses. «Schafe oder andere Säuger fressen von dieser Pflanze. Dabei verfangen sich die Samenkapseln im Fell.» Tatsächlich verfügt das Gewächs aus den Südstaaten der USA und aus Mexiko über äusserst spitze, lange und gekrümmte Dornen, die wie Krallen einer Teufelshand aussehen. Während das Säugetier mit den Krallen im Fell weitergeht, rieseln nach und nach Samen heraus. Eine Verbreitungsstrategie der Pflanze. «Weil die spitzen Krallen das Tier stark verletzen, kann es sein, dass es an einer Infektion stirbt. Damit fallen dem Boden, und somit auch der Pflanze, wieder Nährstoffe zu.» Pflanzen der Gattung Proboscidea produzieren auch klebrige Drüsenhaare und fangen damit kleine Insekten. Die Pflanze produziert zwar keine Aminosäuren, aber verschiedene Enzyme. So verdaut sie Insekten nur unvollständig, doch sie gelangt so auch an tierische Proteine. Darum wird sie als präkarnivor bezeichnet, also als ein Vorläufer der karnivoren Pflanzen.

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Pflegeanleitung
Edith Zemp sagt, dass fleischfressende Pflanzen nie mineralreich gedüngt werden dürften, wenn sie in Erde kultiviert würden. «Die meisten Arten vertragen kaum Kalk. Werden sie mit kalkhaltigem Wasser gegossen, können sie kaum noch Nährstoffe aufnehmen.» Im Botanischen Garten Basel werden sie mit Regenwasser gegossen. Ein Rundgang lohnt sich, denn die bizarren Fleischfresser wachsen im Evolutionsgarten, vor dem Viktoriahaus, aber auch drinnen. In der feucht-heissen Tropenwelt klettert eine Kannenpflanze an Ästen empor.