Wo sich Wombat und Tigerschlange gute Nacht sagen
Auf dem Overland Track durch die Tasmanische Wildnis
Der wohl bekannteste australische Fernwanderweg führt auf 65 Kilometern durch den Westen der Insel Tasmanien. Unterwegs trotzen Wanderer Giftschlangen und gelegentlichen Schneestürmen. Im Gegenzug nehmen sie Erinnerungen an ein einmaliges Wandererlebnis mit nach Hause.
Wie ein Abenteuer in der Wildnis fühlt sich die kurvige Fahrt im klimatisierten Shuttlebus zum Startpunkt des Overland Tracks noch nicht an. Mit einem abrupten Stopp hält das Fahrzeug und spuckt uns und sechs weitere Wanderer auf einem Parkplatz mitten im Nirgendwo aus.
Wir können es kaum erwarten, dass es los geht und hieven unsere schweren, mit Ausrüstung, Proviant und Wasser gefüllten Rucksäcke auf den Rücken. Wer möchte, kann vor dem Start der Wanderung sein Monstrum wiegen. Besser ist es, das nicht zu tun. Denn eine Möglichkeit, etwas zurückzulassen, gibt es nicht mehr. Wir befinden uns mitten in der Tasmanischen Wildnis im Cradle Mountain National Park und werden für die nächsten fünf Tage die Zivilisation hinter uns lassen.
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Menschen aus aller Herren Länder beschreiten jedes Jahr den lediglich 65 Kilometer langen Overland Track. Tatsächlich ist die Wanderung so beliebt, dass 2007 ein Buchungssystem eingeführt wurde. Während der Hauptsaison vom 01.10. – 31.05., dürfen nicht mehr als 34 Personen pro Tag starten. Die Gebühr beläuft sich auf 200 Australische Dollar. Es gibt wildere Wanderwege auf Tasmanien, so wild, dass sie nur mit dem Kleinflugzeug erreichbar sind.
Wer sich (noch) nicht an ein solches Abenteuer wagt oder eine gut ausgeschilderte und verhältnismässig einfache Weitwanderung einem Survivalabenteuer vorzieht, dem sei der wunderschöne Overland Track, trotz Popularität, ans Herz gelegt. Für diejenigen, die Einsamkeit bevorzugen, ist eine Begehung im australischen Winter zu empfehlen. Aber Achtung: Selbst im Sommer kann hier Schnee fallen.
Wie schwerfällige Schildkröten kämpfen wir uns mit den Rucksäcken den Berg empor und werden dabei von vitalen Tageswanderern überholt. Auch sie sind auf dem Weg hinauf zum Cradle Mountain, dessen Schönheit viele Touristen anlockt. Schweissgebadet oben angekommen, erwartet uns eine atemberaubende Aussicht auf den See, der vor den Füssen des Berges liegt. Nachdem wir den Cradle Mountain hinter uns gelassen haben, erwartet uns eine baumlose Hochebene, auf der wir unerbittlich der Sonne ausgesetzt sind. Die empfindliche alpine Vegetation wird durch Holzplanken geschützt, auf denen ein bequemes Laufen möglich ist. Die Tagesausflügler haben wir längst hinter uns gelassen.
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Einfach ausgestatte Hütten laden ein zum Übernachten und Kochen. Zu den Peak-Zeiten werden sie von freiwilligen Hüttenwarten betreut, die angestellt sind, um die zeitweise vielen Wanderer im Zaum zu halten. Die Hütten bieten einen guten Schutz bei schlechtem Wetter, sind aber nicht mit den Schweizer SAC-Hütten vergleichbar. Hier gibt es keine käuflichen Mahlzeiten. Versorgen muss sich jeder selbst.
Wildes Zelten ist auf dem Overland Track nicht erlaubt, doch ausgewiesene Zeltplätze in der Nähe der Hütten sind ideal für diejenigen, die das Geschnarche der Mitwanderer weniger schätzen. Wir bauen unsere Zelte auf und geniessen im letzten Sonnenlicht des Tages die Gesellschaft der Wallabys, die unbekümmert um uns herum am Grasen sind.
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Die nächsten Tage führt uns der Weg durch abwechslungsreiche Landschaften durch Täler, Hochebenen, vorbei an Seen und durch urtümliche Regenwälder. Die Vegetation in diesen Wäldern ist dicht und undurchdringlich. Hier einen Dinosaurier anzutreffen, würde uns nicht verwundern. Statt Urzeitechsen begegnen wir anderen Reptilien: Schlangen. Sie liegen auf dem Weg und auf den Holzstegen und lassen sich kaum aus der Ruhe bringen. Auf Tasmanien gibt es drei Schlangenarten. Und da Tasmanien zu Australien gehört, verwundert es nicht, dass alle drei hochgiftig sind.
Die australischen Wanderer sind ausnahmslos mit langen Hosen und kniehohen Gamaschen unterwegs, denn sie wissen um die tödliche Gefahr. Sie schütteln den Kopf und schauen besorgt, wenn sie uns Europäer in unseren Short sehen. Glücklicherweise kommen wir ohne Schlangenbisse davon. Der Anblick von laut krächzenden Papageien, schnaufenden Schnabeligeln und kuschligen Wombats dagegen zaubert uns ein Lächeln ins Gesicht. Nur der Tasmanische Teufel lässt sich nicht blicken, egal, wie angestrengt wir nach ihm suchen.
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Die Nächte im Zelt sind kalt, trotz Hochsommer. In der dritten Nacht der Wanderung fällt die Temperatur auf frostige minus vier Grad. Es war eine gute Idee, einen warmen Daunenschlafsack einzupacken. Das Wetter ist wild, genauso wie die Landschaft. Den obligaten Abstecher auf den Mount Ossa, dem mit 1617 Metern höchsten Berg Tasmaniens, lassen wir aus, denn es stürmt und auf dem Gipfel schneit es stark.
Morgens liegt dichter Nebel über der urzeitlichen Landschaft und verwandelt die Natur in einen gespenstischen Ort. An manchen Tagen haben wir das Glück, von der Sonne gewärmt zu werden und fantastische Weitblicke geniessen zu können. Nach fünf Tagen gelangen wir an das Ziel des Overland Tracks am Lake St. Clair, wo wir uns nach den Tagen fernab der Zivilisation in einem kleinen Restaurant auf einen saftigen Burger stürzen und dem Studentenfutter, das uns am Leben hielt, keinen Moment hinterhertrauern. Nur der Weg, der düfte noch ein bisschen länger sein. Denn Tasmanien ist ein wahrlich atemberaubender Ort.
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