Anfang 2002, also vor bereits über 20 Jahren, hat Thomas Hurni den landwirtschaftlichen Betrieb in Gurbrü (BE) von seinen Eltern übernommen. Für die Region des Seelandes typisch lag und liegt der Fokus auf dem Gemüseanbau. Auf den insgesamt rund 45 Hektaren Freiland- und acht Hektaren überdeckten Flächen werden nun hauptsächlich Tomaten,  Zucchetti und Nüsslisalat angebaut. «Ich habe die Freiland- und Gewächshausfläche laufend erweitert und die Produktion auf den Engros-Markt ausgerichtet», erzählt der schlank gewachsene Betriebsleiter mit dem sympathischen Lachen. Vor einigen Jahren kam beim Landwirt der Wunsch auf, wieder näher an seine Kunden zu rücken. Einen Direktvermarktungsbereich aufzubauen, schien ihm die richtige Lösung, um den Kontakt mit den Konsumenten seiner Produkte herzustellen. «Auf unserem Land steht eine mächtige Linde; diese bisher sträflich vernachlässigte Ecke war der optimale Ort, um ein «Märithüsli» und einen Selbstpflückgarten einzurichten», so Thomas Hurni. 2021 startete Hurni mit seinem Team das Projekt und hatte während der Corona-Phase guten Erfolg mit den Selbstpflückkulturen in Tunnels. Doch nach der Pandemie stagnierte die Nachfrage. Grund genug für den umtriebigen Landwirt, mit der Initiative «Pflück dis Glück» 2024 nochmals einen neuen Anlauf zu nehmen.

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Kein Bücken zum Pflücken

Das kulinarische Glück kann auf der Hügelkuppe mit Aussicht auf das Dorf Kerzers tatsächlich gefunden werden. Hunderte Meter weit schlängeln sich knallrote Erdbeeren auf schulterhohen Rinnen durch Gewächstunnels. «Früher war der Hors-sol-Anbau verpönt, heute ist es kein Thema mehr, wenn die Erdbeeren auf Kokossubstrat wachsen», sagt der Gemüsegärtner. Im Gegenteil, nun werde der nachhaltige und ressourcenschonende geschlossene Wasser- und Nährstoffkreislauf der Rinnenkultur gut geheissen und die erhöhte Position geschätzt, dank der sich zum Pflücken niemand bücken muss. In den Tunnels können vom Mai bis in den Oktober hinein Erdbeeren geerntet werden.

Die Erdbeeren sind allerdings nicht der einzige Gaumenschmaus, den es hier zu pflücken gibt. Hinter den Tunnels erstreckt sich ein grossangelegter Obstgarten, wo neben den verschiedenen Beeren auch Trauben, Äpfel, Birnen, Aprikosen und Kirschen geerntet werden können. Über 20 verschiedene Kulturen gedeihen hier. «Die Pfirsiche und Nektarinen, die wir ziehen, sind ein Kindheitstraum von mir», schwärmt Hurni. In der hinteren Ecke des Obstgartens kann auch gleich noch beobachtet werden, wer dafür sorgt, dass hier die Früchte so üppig wachsen. Aus einem bunten Holzhäuschen schwirren zehn Bienenvölker aus.

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Auch Gemüse kann selbstständig geerntet werden. In den Tunnels gegenüber der Erdbeerplantage wachsen im Sommer Gurken, Melonen, Peperoni und Auberginen heran. Kartoffeln ausgraben oder Salatköpfe auf dem Feld eigenhändig abschneiden, das habe die Leute nicht interessiert, weshalb sie diese Lebensmittel nun nur noch im Hofladen, im sogenannten Märithüsli, anbieten. Direkt neben dem Selbstbedienungsladen macht eine bunte Augenweide Furore: Hier blüht Roy Black gegenüber der Grande Amore – 16 verschiedene Rosensorten präsentieren sich in den schönsten Farben und Formen.

«Gute Ideen allein reichen nicht, es braucht ein starkes Team dahinter.»

Wer ob all der Sinnes- und Geschmackseindrücke überwältigt ist, findet im Ziergartentunnel mit einer heimeligen Sitzpergola Erholung, bevor es nach draussen geht. Hier gackert neben einem in mehreren Hochbeeten angelegten Kräutergarten eine bunte Hühnerschaar munter vor sich hin. Deren Eier können in den beiden Hühnerhäuschen selber entnommen werden – vor allem für Kinder ein Erlebnis. «Wir möchten unseren Kunden aber nicht nur Lebensmittel bieten, der Besuch von «Pflück dis Glück» soll ein Erlebnis sein, ein spannender Ausflug, und wir wollen einen Ort bieten, um zur Natur und zur Ruhe zu kommen», erklärt Hurni.

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Brücken bauen

«Wir pflegen, ihr erntet», lautet die Idee hinter Hurnis Selbstpflückreich, das die Leute aus der Gegend mit frischen Produkten versorgen möchte. Doch der Betriebsleiter weiss: Gute Ideen allein reichen nicht, es braucht ein starkes Team dahinter. «Wirkt die Anlage auch nur bei einem Besuch ungepflegt, ist der Kredit schon verspielt.» Motivierte Leute für den Obst- und Gemüsebau zu finden, sei aber kein einfaches Unterfangen. Durchschnittlich helfen rund 50 Personen auf dem Betrieb in Gurbrü mit. In den Sommermonaten packen gar bis zu 70 Menschen aus unterschiedlichsten Nationen mit an.

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«Es ist uns wichtig, mit dem offenen Hof den Dialog zwischen uns Produzenten und den Konsumenten zur fördern», sagt der Betriebsleiter. Dazu gehöre es auch, Probleme anzusprechen, proaktiv zu informieren und zu diskutieren, wenn beispielsweise ein Schädling aktiv sei oder weshalb die Kulturen mit Pflanzenschutzmitteln geschützt würden. Natürlich bedeute «Pflück dis Glück» grosser Aufwand und ein gewisses Risiko. «Die Freude der Leute zu spüren, die zu uns kommen, gibt mir und dem Team aber grosse Befriedigung und ist Ansporn», sagt Hurni und verschwindet im Erdbeerfeld, um die Bewässerung zu regulieren.

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Hier kann auch selber gepflückt werden: 
Familie Haumüller in Füllinsdorf (BS)
Bereits in vierter Generation wird der Betrieb von Familie Haumüller geführt, der 1974 von Milchwirtschaft auf Beeren und Gemüseanbau umgestellt wurde. Bereits Ende der 1970er-Jahre konnten die Felder des bei Augst gelegenen Hofs besucht werden, um diverse Beeren- und Gemüsesorten selber zu ernten. Neben Erdbeeren gibt es Cassis oder Heidelbeeren zu pflücken. Im Frühjahr hat es Spargeln und im Sommer locken Bohnen, Tomaten oder Auberginen.
selberernten.ch

Erlebnisbauernhof Jucker Farm in Seegräben (ZH)
Die Höfe der Jucker Farm gehören zu den wohl bekanntesten Erlebnisbauernhöfen der Schweiz, mit einem umfangreichen Angebot von Sonntagsbrunch über Kürbisausstellung bis hin zum Hofladen und Firmenevents. Auf dem Römerhof in Kloten können Blumen selber geschnitten werden; auf dem Juckerhof Seegräben und auf dem Bächlihof in Jona (SG) gibt es Heidelbeeren zu ernten und in Seegräben locken auch noch Kirschen und manchmal Äpfel im grossen Apfellabyrinth.
juckerfarm.ch/hoferlebnis/selberpfluecken

Hof Niederhauser in Gals (BE)
Im Seeland kultiviert Familie Niederhauser Spargeln, aber auch verschiedene Beerensorten zum Selberpflücken. Auf den Feldern wachsen Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren und Cassis. Auf der Website ist jeweils ersichtlich, welche Self-Pick-Felder gerade offen sind.
niederhauser-beeren.ch/de/self-pick

Selfpick Schiffenen (FR)
Direkt am Ausflugsziel Schiffenensee wartet das Selfpick Schiffenen mit einem grossen Angebot auf. In den Feldern können selber Blumen, Kräuter und Salate geschnitten werden. Daneben gibt es diverse Strauchbeeren- und Gemüsesorten sowie Äpfel zu ernten. Im Hofladen werden zudem Eier, Bauernhofglace oder Konfitüre angeboten, und im Herbst zieht eine grosse Kürbisausstellung mit über 600 verschiedenen Sorten die Blicke auf sich.
selfpick-schiffenen.ch