Weithin sichtbar baumelt eine tote Krähe an einem Pfosten neben dem kahlen Feld. Ein schauriger Anblick, der manch einem Anwohner und Spaziergänger makaber und tierquälerisch erscheint. Der Grund für diese drastische Massnahme: Der tote Artgenosse soll signalisieren, dass das Gebiet nicht sicher ist, und andere Krähen vom Feld fernhalten. Denn Krähen bedienen sich gerne an der frischen Saat, was dem Landwirt natürlich ein Dorn im Auge ist.

Hansueli Dierauer vom Forschungsinstitut für Biologische Landwirtschaft (FiBL) hat sich intensiv mit dem Problem beschäftigt. «Tote Krähen aufzuhängen, ist zwar wirkungsvoll, aber in der heutigen Zeit nicht mehr zu verantworten.» Illegal ist die Massnahme nicht. Gemäss dem Schweizerischen Jagdgesetz dürfen Landwirte im Rahmen sogenannter Selbsthilfemassnahmen Nebel- und Rabenkrähen abschiessen. Auch das Aufhängen ist legal, solange dabei die Bestimmungen des Seuchenschutzgesetzes eingehalten werden. Einzig die Saatkrähe gehört nicht zu den jagdbaren Arten und ist daher geschützt. Gemäss dem Schweizer Bauernverband wird die Methode, tote Vögel aufzuhängen, heute nur noch selten angewendet, denn die Landwirte sind sich der Aussenwirkung durchaus bewusst. Und trotzdem bleibt das Problem der gewitzten Vögel, die sich die Aussaat von Mais und anderem Getreide schmecken lassen. Raben und Krähen sind intelligente und anpassungsfähige Vögel, die sich nur durch wenige Massnahmen beirren oder gar abschrecken lassen. Zudem können sie zwischen Bio- und konventionellen Feldern unterscheiden. In der konventionellen Landwirtschaft wird meistens gebeiztes Saatgut verwendet. Die Sämereien werden mit Pflanzenschutzmittel behandelt, das vor Pilzen, Krankheiten oder Schädlingen schützen soll. Die ungebeizten Samen aus der biologischen Landwirtschaft schmecken den Krähen eindeutig besser, und so fallen die Tiere öfter über Biofelder her.

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Bio wird bevorzugt

Generell bevorzugen Krähen extensiv bewirtschaftete Gebiete, denn hier finden sie nebst genügend Nahrung auch ausreichend Nistplätze. Im Frühjahr besetzt ein Brutpaar hier ein Revier und verteidigt es gegen Artgenossen. «Manche Landwirte machen sich dieses Verhalten zunutze», erzählt Hansueli Dierauer. Die Bauern würden solche Krähenpaare und ihre Nester dulden. «Die beiden Vögel vertreiben dann die Schwärme junger Rabenvögel aus ihrem Revier und dadurch auch von den Feldern des Landwirtes.» Das sei die eleganteste, aber auch die aufwendigste Methode, um Krähen vom Saatgut fernzuhalten, so Dierauer.

Denn nicht die einzelnen Brutpaare sind ein Problem für die Bauern, sondern junge Krähen, die das Brutalter noch nicht erreicht haben und sich zu Schwärmen zusammenschliessen. Dieses unterbeschäftigte Jungvolk macht rund 40 Prozent der Population aus und zieht auf Nahrungssuche umher. Wenn sie ein Feld ohne verteidigendes Brutpaar in der Nähe finden, können Schwärme in kürzester Zeit grosse Schäden an den Kulturen anrichten.

Laut Hansueli Dierauer gibt es keine abschreckende Massnahme, die Krähen dauerhaft von Feldern fernhält. «Krähen gewöhnen sich rasch an neue Umstände. Abwehrmassnahmen müssen daher alle drei bis vier Tage gewechselt werden», so der Agronom. Um sich nicht in Unkosten zu stürzen, können landwirtschaftliche Betriebe sich gegenseitig aushelfen. Knallapparate erzeugen ihren Scheucheffekt primär durch akustische Reize. Dabei wird regelmässig ein Knall erzeugt, der die Krähen aufschrecken soll. Allerdings verstehen die Tiere relativ schnell, dass das Geräusch keine Gefahr darstellt. Ein dänisches Unternehmen hat zusammen mit Forschern ein Gerät namens Bird Alert entwickelt, welches die Anwesenheit von Vögeln erkennt. Eine spezielle Software kann dabei zwischen Vogelstimmen und damit auch zwischen Arten unterscheiden. Bei saatschädigenden Arten wie Krähen löst Bird Alert dann einen Abwehrton aus. So soll vermieden werden, dass die Tiere sich an das Geräusch gewöhnen und die Anwohner sich durch den Lärm gestört fühlen.

Schreckeffekte halten nicht lange

«Eine weitere effiziente Abwehrmassnahme sind Gasballone, die einen Greifvogel vortäuschen», rät Hansueli Dierauer. Greifvögel gehören zu den wichtigsten Fressfeinden von Krähen und werden von den Tieren daher tunlichst gemieden. Ballone aus Folie oder Latex, die silbern schimmern oder aufgemalte Muster haben, sind im Vergleich zu Knallapparaten recht preiswert und stören weder Anwohner noch Spaziergänger. «Allerdings sollten Hinweisschilder auf den Zweck der Ballone aufmerksam machen», so Dierauer. Ansonsten könnten die Ballone Vandalismus oder Diebstahl zum Opfer falle. Zudem muss auch diese Massnahme alle drei bis vier Tage mit einer anderen ausgewechselt werden, damit kein Gewöhnungseffekt eintritt. An windigen Orten kann anstelle der Ballone ein Flugdrachen in Form eines Falken an einem Teleskopmast aufgehängt werden. Manche Krähen lassen sich davon wenigstens für ein paar Tage beeindrucken.

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Hansueli Dierauer nennt auch weniger effiziente Methoden, die man sich eigentlich sparen kann: «Vogelscheuchen, aufgehängte Bänder und im Sonnenschein funkelnde CDs.» Als letzte und weniger drastische Massnahme, als eine tote Krähe aufzuhängen, kann vor Ort ein Krähenrupf durch einen Greifvogel vorgetäuscht werden. Die grossen Schwungfedern einer toten Krähe werden dafür in einem Kreis angeordnet und kleine Brustfedern in der Mitte des Kreises verstreut. Solche Krähenfedern können beim Wildhüter bezogen werden oder man verwendet schwarze Hühnerfedern. Diese Szene vermittelt den Krähen den Eindruck, dass sich im Gebiet Greifvögel aufhalten. Die Massnahme hat eine ähnliche abschreckende Wirkung wie ein sichtbarer toter Artgenosse, hat für Passanten und Anwohner jedoch einen weniger makabren Beigeschmack.

Netze

Um Trauben vor Vogelfrass zu schützen, verwenden viele Winzer Netze, die sie über die Pflanzen ziehen. Schlecht montierte oder zu wenig gespannte Rebnetze können laut Vogelwarte Sempach jedoch dazu führen, dass sich Igel, Reptilien und Vögel darin verfangen und qualvoll sterben. Die Vogelwarte rät daher, die Möglichkeit von Abschreckmethoden zu prüfen, bevor ein Netz zum Einsatz kommt. Falls ein Rebnetz erforderlich ist, muss dieses fachgerecht angebracht und regelmässig kontrolliert werden.

Solche Netze sind nicht nur für Winzer, sondern auch für Privatpersonen mit Obstbäumen im Garten verlockend. Hier gelten jedoch dieselben Regeln. Wer ein Netz unsachgemäss installiert oder dieses nicht regelmässig auf gefangene Tiere kontrolliert, kann nicht zuletzt strafrechtlich verfolgt werden.