Invasiv, anpassungsfähig und bedrohlich
Auf der Jagd nach der Asiatischen Hornisse
Die Asiatische Hornisse verbreitet sich in der Schweiz immer schneller. Die invasive Art ist eine Bedrohung für Wespen, einheimische Wild- und Honigbienen und andere bestäubende Fluginsekten. Die TierWelt hat eine Nestsuche in Riehen bei Basel begleitet.
Ein sonniger Freitagmorgen Anfang September in Riehen BS: Die Vögel zwitschern, die Bienen summen und alle paar Minuten rattert ein «Trämli» vorbei. Ein Haus an der Äusseren Baselstrasse dient als Treffpunkt für fünf Imkerinnen und Imker, die an diesem Tag eine gemeinsame Mission haben: ein Hornissennest zu finden. Allerdings kein gewöhnliches, sondern eines der invasiven Asiatischen Hornisse (Vespa velutina). Diese Art unterscheidet sich nicht nur äusserlich von der hierzulande heimischen Europäischen Hornisse (Vespa crabro), sondern vor allem in der Gefahr, die von ihr ausgeht: Die Asiatische Hornisse ist eine sehr effiziente Jägerin. Insbesondere im Sommer und Herbstgehören sowohl Wespen als auch Honig- und Wildbienen zu ihrer bevorzugten Beute. Die Vorgehensweise der Asiatischen Hornisse ist brutal: Sie kreist in der Luft vor einem Bienenstock, bis sie eine Biene erwischt. Dann köpft sie ihre Beute, trennt Abdomen, Flügel und Beine ab und transportiert den eiweissreichen Thorax zurück ins Nest, um ihn dort dem Nachwuchs zu verfüttern. Geschieht das einige Tage nacheinander, trauen sich die Bienen nicht mehr aus ihrem Stock. Im Extremfall verhungern so ganze Völker.
Man geht davon aus, dass die gefährliche Hornissenart 2004 in einem Bonsai-Topf von Asien aus nach Südwestfrankreich gelangt ist. Aus einem Nest der Asiatischen Hornisse können bis zu 500 Königinnen schlüpfen, die im Folgejahr wiederum neue Völker gründen. Entsprechend schnell verbreitete sich die Hornissenart in ganz Frankreich und den Nachbarländern. 2017 wurde sie erstmals im Kanton Jura gesehen, weitere Sichtungen folgten darauf in der Romandie. Heute ist die Art entlang des ganzen Jurabogens anzutreffen. So auch an der Äusseren Baselstrasse in Riehen. Hier lebt ein Imker, der eine Sichtung auf der nationalen Meldeplattform www.asiatischehornisse.ch gemeldet hat.
Keine einfache Mission
«Nun treffen wir uns bereits zum zweiten Mal in dieser Umgebung», sagt Imker Joost Oerlemans zu seiner Gruppe in Riehen. Man sei bereits letzte Woche da gewesen, habe die Bienenstände an dieser Adresse und in der Nachbarschaft besucht und auch dort einen Befall der Asiatischen Hornisse festgestellt, erklärt Oerlemans. Ziel sei deshalb, ein Nest der invasiven Hornissenart zu finden.
Die Gruppe ist startbereit. Sie geht um das Haus herum in den Garten, der sich am Rand des Landschaftsparks Wiese befindet. Dort stehen drei Bienenstöcke. Die Gruppe positioniert sich rundherum, bewaffnet mit zwei Keschern. Nach einem ersten «Schau, da ist eine!» dauert es nicht lange, bis die ersten Asiatischen Hornissen gefangen sind.
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Bei genauer Betrachtung ist der äusserliche Unterschied zu den einheimischen Europäischen Hornissen auch für Laien klar ersichtlich: Die Asiatische Hornisse hat einen schwarzen Hinterleib mit einem auffälligen gelb-orangen Ring am Ende, einen schwarzen Rumpf, gelbliche Beinenden und ein oranges Gesicht. Fliegt sie, erkennt man sie daher an ihrem schwarzen Körper – ganz im Gegensatz zu ihrer europäischen Artgenossin, deren gelber Hinterleib auch im Flug erkenntlich ist. Die gefangenen Hornissen werden aus den Keschern einzeln in Plastikbehälter verfrachtet. «Aua!», tönt es plötzlich. «Sie hat mich erwischt!», ruft Oerlemans. Seine Hand schwillt an. «Schlimm ist es nicht, als Imker passiert einem das ständig», winkt der Bienenexperte ab. Tatsächlich sind die Stiche von Asiatischen Hornissen zwar ähnlich schmerzhaft wie die ihrer europäischen Schwestern, aber nur für allergische Personen gefährlich.
Nun beginnt der schwierige Teil: Die gefangenen Asiatischen Hornissen müssen mit einem gut sichtbaren Band markiert werden. So kann bei der Freilassung verfolgt werden, in welche Richtung sie losfliegen. Wiederholt man das Prozedere mit mehreren Hornissen, gibt das wiederum einen Hinweis, in welcher Richtung sich ein Hornissennest befinden könnte. Die gefangenen Hornissen werden einige Minuten in eine Kühlbox gelegt, um sie ruhigzustellen. An das benommene Insekt wird das Band angebracht, was viel Fingerspitzengefühl erfordert.
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Die Gruppe verlässt mit der markierten Hornisse den Garten und geht zum Landschaftsspark Wiese. Oerlemans führt die Hornisse am Faden mit – ein etwas skurriles Bild, das einem die Kraft des Insekts vor Augen führt. Es zieht in alle Richtungen, will fliegen. Ein Schnitt mit der Schere und schon zieht es – gut sichtbar anhand des angebrachten Fadens – in Richtung eines Baumes davon. Die Gruppe folgt ihm und sucht den Baum mit einem Feldstecher ab. Tatsächlich ist der weisse Faden auf einem Ast eine Weile sichtbar. Doch dann fliegt es ausser Sichtweite. Die Prozedur wird mit den anderen gefangenen Hornissen wiederholt, die – mit angebrachtem Faden – jeweils an unterschiedlichen Orten freigelassen werden, aber auch in unterschiedliche Richtungen fliegen. Kein eindeutiges Bild. «Das könnte auf mehrere Nester hindeuten», erklärt Oerlemans.
Leben mit der Asiatischen Hornisse
Mittlerweile ist es später Nachmittag. Die fünfköpfige Gruppe denkt nach Stunden des Arbeitens trotz hoher Temperaturen noch nicht ans Aufhören. Eine gefangene Hornisse ist noch übrig. «Jetzt probieren wir es mit dem Sender», sagt Oerlemans. Damit meint er ein wenige Millimeter grosses Teil, das um die Taille der Asiatischen Hornisse befestigt wird. Das Signal könnte zum Nest führen. Doch vergebens: Nach einem kurzen Orientierungsflug stürzt die Asiatische Hornisse ab. Trotz angebrachtem Sender (Kostenpunkt: 200 Franken) findet sie die Gruppe nicht mehr. Manchmal sei es «einfach frustrierend», so der Tenor der Imkerinnen und Imker.
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Ein aufwendiger Tag endet also ohne Nestfund, aber mit der Erkenntnis, dass in der Gegend von Riehen mehrere Nester vorhanden sein könnten. Lohnt sich der beträchtliche Aufwand angesichts der raschen Verbreitung der Asiatischen Hornisse? «Eine gute Frage», sagt Simon Amiet vom Amt für Umweltschutz und Energie des Kantons Basel-Landschaft. «In den letzten beiden Jahren konnte ein Grossteil der in der Region Basel gesuchten Nester gefunden und entfernt werden.» Dadurch liess sich die Ansiedlung in dieser Phase verlangsamen. Aber: «Wir müssen mit der Asiatischen Hornisse leben. Das Ziel ist, die Populationsdichte auf einem Level zu halten, damit die Schäden – primär in der Imkerei – auf einem Level bleiben.»
Dieses Vorhaben schätzt Amiet als realistisch ein, «vorausgesetzt, dass die notwendigen Ressourcen zur Eindämmung bereitgestellt werden». Für das Jahr 2024 erhält der Bienenzüchterverband beider Basel von den beiden Halbkantonen insgesamt 20 000 Franken. Damit wird nebst den Nestsuchaktionen auch die Koordinationsstelle finanziert, welche eingehende Meldungen evaluiert. Der Bund kommt seit der ersten Sichtung einer Asiatischen Hornisse 2017 auf Schweizer Boden für die Verbreitungskarte von Info Fauna auf, welche zur Überwachung dient. Bis 2025 beteiligt er sich zudem an den Kosten der Ausbildungsmassnahmen durch die Kantone und des Bienengesundheitsdienstes.
«Wir würden uns vom Bund mehr koordinative Massnahmen wünschen», so Amiet. «Generell wird gegen invasive Arten, die nicht unter die land- und forstwirtschaftlichen Quarantäneorganismen fallen, im Verhältnis wenig getan.» Um die Politik zum Handeln zu bewegen, seien bereits einige parlamentarische Vorstösse eingereicht worden, die mehr Massnahmen oder gar die Übernahme der Gesamtkoordination der Bekämpfung der invasiven Art durch den Bund fordern.
Der Imker Joost Oerlemans ergänzt: «Viele sind der Meinung, dass ‹nur› die Imker betroffen sind und dass diese halt selbst schauen müssen. Aber auch die Wildbienenpopulationen leiden! Erfahrungen aus dem Ausland haben gezeigt, dass bei einem massiven Befall der Asiatischen Hornisse auch Obst und Trauben im grossen Stil vernichtet werden.»
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