Herr Klepp, Sie sind Geowissenschaftler und Klimaforscher. Nun bringen Sie uns mit Landschaftsfotografien die Schönheiten der Erde näher. Inwiefern vermögen Fotos besser als wissenschaftliche Berichte verständlich zu machen, wie die Natur funktioniert und wie bedroht dieses sensible System ist?

Wissenschaftliche Berichte sind für die Allgemeinheit nicht leicht nachzuvollziehen, denn sie bedienen sich einer reduzierten und fremdwortüberladenen Sprache. Deswegen benötigen sie das Zwischenglied der Wissenschaftskommunikation, der ich mich verschrieben habe. Aber selbst dann bleiben wissenschaftliche Zusammenhänge komplex und unnahbar. Bilder dagegen wecken Emotionen. Es ist eine Sache, zu lesen, um wie viele Meter die Gletscher pro Jahr an Länge verlieren. Nachvollziehbar wird es, wenn eine Fotografie diese Daten visualisiert. Wenn wir aber sehen können,welche Schönheit verloren geht, berührt es unsere Herzen. Emotionen gepaart mit Wissenschaft schaffen innere Erkenntnis und lassen uns, im besten Fall, umdenken.

Sie zeigen vom Menschen weitgehend unberührte Landschaften. Könnte der Klimawandel nicht drastischer vor Augen geführt werden mit Bildern von Orten, die vom Menschen ausgebeutet wurden?

Das wäre natürlich eine Möglichkeit, aber es ist nicht mein Ansatz. Wir wissen, wie schlimm es um unseren Planeten steht und dass wir uns unserer Lebensgrundlage berauben. Man muss inzwischen starke Nerven haben, um die tagesaktuellen Nachrichten auszuhalten. Deswegen ist es mein Ansatz, die Sichtweise auf den Kopf zu stellen, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Angst und Schrecken sind schlechte Ratgeber. Stattdessen benötigen wir Mut und Tatkraft. Wir müssen hinschauen, wie schön unser Planet ist, und alles dafür tun, um ihn und alle Lebewesen rigoros zu schützen. Deswegen zeige ich die unberührten Flecken der Erde, erkläre ihre Bedeutung und wecke damit Emotionen, in der Hoffnung, sie damit vor unserem Zugriff zu bewahren.

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Tiere und Menschen werden in Ihren Aufnahmen ausgeklammert. Sind es nicht diese Lebewesen, die die Entwicklung der Erde massgeblich beeinflussen?

Absolut. Ich liebe Wildtiere und bin ihnen Auge in Auge begegnet. Eisbären, Pumas und Bisons ebenso wie Murmeltieren. Allerdings habe ich mich auf die Landschafts- und Sternhimmelfotografie fokussiert und überlasse die Tierwelt gerne den grossartigen Tierfotografen. Menschliche Einflüsse versuche ich so gut es geht von meinen Fotografien fernzuhalten, denn es geht mir darum, zu zeigen, wie wunderschön und schützenswert unser Planet abseits unserer Einflusssphäre ist.

Sie begeben sich monatelang allein an abgelegene Orte. Welche Herausforderungen bringt diese Arbeitsweise mit sich?

Ich liebe es, mich der Wildnatur auszusetzen, weil es mich erdet und meine Perspektive geraderückt. Eine Herausforderung ist die Menge an Ausrüstung, die ich tragen kann, da meine Fotoausrüstung 17 Kilogramm wiegt. Ich kann gut eine Zeitlang als Eremit leben. Mir ist die Stille der Natur unter dem Sternhimmel das grösste Geschenk, weshalb ich mich in der Natur mehr zu Hause fühle als in meiner Wohnung.

Explora-Lifeshow «Wunderwerk Erde» mit Christian KleppSa, 11.11.2023, Luzern Verkehrshaus, 19.30 Uhr
So, 12.11.2023, Nottwil Paraplegiker Zentrum, 13.00 Uhr
Mo, 13.11.2023, Basel Volkshaus, 19.30 Uhr
Di, 14.11.2023, Zürich Volkshaus, 19.30 Uhr
Mi, 15.11.2023, Aarau KUK, 19.30 Uhr
Do, 16.11.2023, Bern Freies Gymnasium, 19.30 Uhr
Fr, 17.11.2023, Thun Burgsaal, 19.30 Uhr
Sa, 18.11.2023, Winterthur gate 27, 15.30 Uhr
So, 19.11.2023, Rorschach Würth Haus, 11.00 Uhr
Alle Infos und Tickets unter Explora.ch

Sie waren in der Arktis, in der Wüste und in Gebirgen. Welche Landschaften faszinieren Sie am meisten?

Das werde ich oft gefragt und ich habe darauf keine konkrete Antwort. Jede Landschaft hat ihre Reize. Grundsätzlich liebe ich Berge, Gletscher sowie Vulkanlandschaften. Deswegen ist Island genauso mein gefühltes Zuhause wie die Alpen. Orte, die die geologische und biologische Geschichte des Planeten in sich tragen, faszinieren mich. Dazu gehört Karijini im Nordwesten Australiens. Hier weht einem der Atem der Ewigkeit entgehen, da diese Canyons unfassbare 3700 Millionen Jahre alt sind und die ersten Spuren des Lebens in sich tragen.

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Die Fotografie rang seit jeher darum, sich vom wissenschaftlichen Hilfsmittel zur künstlerischen Ausdrucksform etablieren zu können. Verstehen Sie Ihre Aufnahmen als Kunst oder als Wissenschaft?

Definitiv ist die Fotografie für mich eine untrennbare Verbindung aus beidem. Sie ist das Bindeglied, das es ermöglicht, die Wissenschaft hinter den Landschaften erfahrbar zu machen. Die Kombination aus erlebter Wissenschaft und Fotografie eröffnet jene Extradimension, die die Vergangenheit unseres Planeten in die heutige Zeit übersetzt und uns staunen lässt. Das gilt auch für Fotografien des Milchstrassenbogens, denn sie offenbaren uns den Blick auf unsere eigene Existenz und sind zugleich die ultimative Form der Zeitreise. Wie unsere Erde vor 4550 Millionen Jahren entstand, kann man am Sternenhimmel greifbar erleben.

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Zur Person
Dr. Christian Klepp ist Geowissenschaftler, preisgekrönter Landschaftsfotograf sowie Beststeller-Autor. Er studierte Meteorologie und Geologie an der Universität Hamburg, war 25 Jahre in der internationalen Klimaforschung tätig und arbeitete als Dozent. Seine Abenteuerlust und tiefe Liebe für den Planeten führte 2019 zur Verschmelzung seines Berufs mit der Landschaftsfotografie, um uns die einzigartige Schönheit der Natur und die Einzigartigkeit der Erde in Wort und Bild in die Herzen zu legen. Mit seinem Spiegel-Bestseller «Wunderwerk Erde – Wie unser Planet funktioniert» (Edel Verlag, 2022) ist er derzeit auf Vortragstour. Er spricht über die Erde, das Klima und den Klimawandel.
christianklepp.com