Klimawandel
«Wetterphasen wie heuer wirken erst nach ein bis drei Jahren»
Die Zivilisation kämpft mit den Wassermassen und Unwettern. Für die Wälder hingegen sind sie weitgehend eine Wohltat. Das sagt Roman Zweifel, Ökophysiologe bei der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL.
Herr Zweifel, welche Auswirkungen haben die enormen Regenmengen der letzten Wochen auf die Wälder der Schweiz?
Nun, die Zivilisation hatte natürlich zuviel Wasser. Für die Bäume ist das hingegen kein Problem. Im Gegenteil. Wie nachfolgende Karten zeigen, sind die Wälder wassergesättigt und wachsen mehrheitlich gut.
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Ausser im Wallis.
Dort zeigen einzelne Punkte, die nicht ganz dunkelblau sind, dass es ein paar Tage lang nicht mehr geregnet hat und die Bäume zum Teil bereits nicht mehr wassergesättigt sind. Allerdings handelt es sich bei den Karten um Betaversionen, in denen unglaublich viele Dendrometerdaten (automatische Messung von Stammradiusänderungen in Mikrometerauflösung) aufbereitet werden. Da kann es noch vorkommen, dass auch ein falscher Punkt drin ist. Das ändert aber nichts an Gesamtbeurteilung, dass der viele Regen für die Wälder durchwegs positiv ist. Die letzten Jahren war ja sehr heiss und trocken.
Wie werden die Bäume mit dem Hagel fertig, der in letzter Zeit ja viel Zerstörung angerichtet hat?
Natürlich, die Hagelkörner schlagen Blätter herunter. Doch während das für die Landwirtschaft teils ganz schlimm ist, können die Bäume damit umgehen. Zudem treten Hagelschauer in der Regel lokal auf. Das heisst, es ist einmal eine Schneise im Wald betroffen, um das nächste Mal an einem anderen Ort zu wüten. Davon erholen sich die Bäume jedoch wieder.
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Können die Bäume das ganze Wasser denn überhaupt aufnehmen?
Nein, irgendwann sind Pflanzen gesättigt. Auch speichern können sie es nicht, anders als die Kakteen. Diese besitzen die Fähigkeit, Wasser zwischenzulagern. Folgt ein trockenes Jahr, zehren sie davon. Bäume hingegen funktionieren anders.
Und wie sieht es angesichts der gegenwärtigen Wassermassen mit der Fäulnis aus?
Damit Bäume zu faulen beginnen, müsste es schon sehr viel länger so nass bleiben. Das ist zurzeit kein Problem.
Welche Möglichkeiten bietet den Wäldern eine feuchte Periode wie dieses Jahr?
Sie erhalten die Möglichkeit, sich von Trockenperioden zu erholen und Strukturen anzupassen. Neben der Speicherung von Kohlenstoff, bilden sie neue Leitgefässe (Holz), mit dem Ziel, sich bestmöglich an die äusseren Bedingungen anzupassen und damit auch robuster zu werden. Die kühlere und vor allem feuchtere Sommerperiode tut ihnen gut.
Heisst das, wir werden ein fast schon explosionsartiges Wachstum erleben?
Das könnte man erwarten aber unsere Messungen zeigen bis jetzt keine durchgängige Wachstumssteigerung. Diverse Forschungen zeigen unabhängig voneinander, dass Wald-, Baum- und Stammwachstum nur zum Teil von den aktuellen Bedingungen abhängen. Mit anderen Worten, ausserordentliche Wetterphasen wie heuer wirken auch noch nach ein bis drei Jahren nach. Das Umgekehrte gilt ebenso. Die Auswirkungen eines trockenen Jahres machen sich auch später noch bemerkbar. Man spricht in einem solchen Fall von einem Legacy Effect.
Wie stark verhindern Wälder, dass ganze Hänge abrutschen?
Davor wird zurzeit regelmässig gewarnt. Grundsätzlich halten Bäume die Hänge natürlich zusammen. Allerdings gibt es Situationen, in denen auch Wälder nichts mehr ausrichten können. Wenn ein ganzes Gebiet ins Rutschen gerät, können sie dies oft nicht aufhalten.
Wie schätzen Sie den Zustand der Wälder zurzeit ein?
Eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird. Über die ganze Schweiz gesehen geht es dem Wald gut. Wie gesagt, das jetzige kühle und nasse Wetter wird sich erst später bemerkbar machen. An einzelnen Standorten machte die Hitze der letzten Jahre einzelnen Waldteilen allerdings zu schaffen. Dadurch hatten es die Buchen in Basel, im Jura und in Teilen des Mittelland an exponierten Lagen schwer. Im Mittelland kämpfen die Fichten gegen den Borkenkäfer-Befall und gegen die generell immer trockeneren Bedingungen. Und natürlich gibt es weitere Ecken, in denen Probleme auftauchen wie zum Beispiel mit den Föhren im Wallis. Trotzdem sieht es für die Schweizer Wälder grundsätzlich gut aus.
Und doch verändern sich die Wälder.
An dieser Tatsache können auch ein paar Regentage wie dieses Jahr nichts ändern. Als Förster wird man sich auch weiterhin immer öfter fragen müssen, ob man statt einer Buche eine Eiche pflanzen soll, weil der Standort für sie günstiger ist. Mit der subalpinen Fichte im Mittelland, die uns in den letzten 100 Jahren wunderbares Holz brachte, ist es wohl vorbei. Ihr ist es dort mittlerweile zu heiss und zu trocken. Der Umbau der Wälder hat schon begonnen.
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