Dieser Tage sind manche Tiereltern schon fleissig dabei, ihre Jungen aufzuziehen. Andere erwarten ihren Nachwuchs erst noch. Wer im Mai durch Wald und Wiesen streift, wird gute Chancen haben, Rehkitze, Fuchsjunge oder kleine Eichhörnchen zu beobachten. Auch Wildtierstationen haben nun alle Hände voll zu tun. Denn in dem ein oder anderen Fall stellt sich die Frage, ob ein Jungtier gar mutterlos ist und menschliche Hilfe braucht. Wir werfen einen Blick in die Kinderstuben verschiedener Säugetierarten und erklären, ob ein Eingreifen überhaupt erforderlich ist.

Feldhase

Kaum eine andere Wildtierart vermehrt sich so gern wie der Feldhase. Zwischen Februar und Oktober bringt die Häsin bis zu fünf Würfe mit zwei bis vier Junghasen zur Welt. Im Gegensatz zu Kaninchen bauen sie keine Höhlen, sondern legen ihre Jungen in sogenannte Sassen, kleine Mulden im Boden, ab. Feldhasen kommen nicht nackt auf die Welt, sondern sind als Nestflüchter nach der Geburt bereits voll entwickelt.

Das Leben eines Feldhasen ist voller Gefahren. Vor allem nasskalte Witterung und Fressfeinde wie der Fuchs machen ihm das Leben schwer. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, säugt die Hasenmutter ihre Jungen nur einmal am Tag mit sehr energiereicher Milch. Den Rest des Tages sind die kleinen Hasen auf sich allein gestellt und verlassen sich auf ihre gute Tarnung. Bei Gefahr laufen sie nicht weg, sondern drücken sich in den Boden.

Stolpert man also über einen kleinen Feldhasen, der scheinbar verlassen wirkt, so ist das vollkommen natürlich. Eingreifen sollte man erst, wenn ein Hasenjunges offensichtlich verletzt ist, von einer Katze gepackt wurde oder es an einer ungewöhnlichen Stelle wie auf der Strasse oder in einem Hauseingang liegt. Dazu können Sie sich an eine Wildtierstation oder je nach Kanton an den Wildhüter oder Jagdaufseher wenden.

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Rotfuchs

Die Paarungszeit der Füchse findet bereits im Winter von Dezember bis Januar statt. Im März und April kommen etwa drei bis sechs Welpen in einem unterirdischen Bau zur Welt, die bis zu sechs Wochen lang gesäugt werden. Bei einem schlechten Nahrungsangebot löst sich die Familie im Juli oder August auf und die Jungen suchen sich ein eigenes Revier. Bei einem reichhaltigen Nahrungsangebot, wie es in Städten der Fall ist, bilden sich bei Füchsen Familienverbände. Während sich ein Paar fortpflanzt, helfen andere adulte Füchse, meist ältere Töchter des Weibchens, bei der Jungenaufzucht mit.

Im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren beteiligt sich auch der Vater an der Aufzucht und versorgt seine Familie mit Nahrung. Stösst der Mutter etwas zu und sind die Jungen nicht mehr von Milch abhängig, werden sie vom Vater oder auch von den älteren Geschwistern weiter versorgt. Nach rund einem Monat verlassen die Fuchsjungen den Bau und erkunden die Umgebung. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Fuchsjunge dem Menschen gegenüber wenig Scheu zeigen und völlig unbekümmert vor dem Bau spielen. Sind die Welpen allein und machen einen munteren Eindruck, so sind die Eltern vermutlich nur auf Nahrungssuche.

Eingreifen sollte der Mensch erst, wenn Fuchsjunge mit noch geschlossenen Augen ausserhalb des Baues herumkriechen. Auch wenn ältere Jungtiere einen kranken und lethargischen Eindruck machen, auf der Seite liegen oder mit einem Bellen nach ihren Eltern rufen, benötigen sie Hilfe. Nehmen Sie Kontakt mit dem Wildhüter oder Jagdaufseher auf. 

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Reh

Bereits im Sommer findet die Paarung der Rehe statt. Durch eine Keimruhe wird die Embryonalentwicklung bis in den Januar jedoch unterbrochen. Von Mai bis Juni gebärt die Geiss im Durchschnitt zwei Kitze, selten eines oder drei, und legt diese auf einer Wiese oder in einem Feld ab. Die Jungen folgen ihr nicht, sondern bleiben regungslos im Gras liegen. Dort sind sie durch ihre Färbung gut getarnt. Um keine Feinde anzulocken, kommt die Geiss nur zum Säugen vorbei.

Durch Kontaktlaute bleiben Mutter und Kitz in Verbindung. In den ersten Lebenstagen haben die Jungen keinen ausgeprägten Eigengeruch, damit sie nicht von Raubtieren aufgespürt werden können. Nähert sich dennoch ein Feind, verteidigt die Mutter ihren Nachwuchs durch Schläge mit den Vorderläufen. Ab einem Alter von etwa einem Monat beginnen die Kitze ihrer Mutter zu folgen und bleiben in deren Nähe, bis sie selbstständig sind und abwandern. Findet man im hohen Gras ein Rehkitz, ist es in den allerwenigsten Fällen wirklich verwaist. Hilfe braucht ein Kitz erst, wenn es fiepend auf der Suche nach seiner Mutter herumläuft, diese aber nicht erscheint, oder wenn es aktiv auf den Menschen zu- und ihm nachläuft.

In dem Fall ist es vermutlich verlassen und hungrig. Stöbert der eigene Hund aus Versehen ein Kitz auf und berührt es, wird es in der Regel weiterhin von der Mutter angenommen. Zur Sicherheit sollte man jedoch den Wildhüter oder Jagdaufseher über den Vorfall informieren, damit dieser in den nächsten Tagen einen Blick auf das Junge werfen kann.

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Eichhörnchen

Zweimal jährlich kann ein Eichhörnchen bei gutem Nahrungsangebot Nachwuchs zeugen. Im Durchschnitt vier bis fünf nackte und blinde Jungtiere gebärt eine Mutter nach einer Tragzeit von 36 bis 42 Tagen. Diese werden von ihr in einem Kobel, einem Nest aus Zweigen und Blättern, in mindestens sechs Metern Höhe grossgezogen. Ungefähr zehn Wochen lang werden die Jungtiere gesäugt, bevor sie selbstständig sind und von der Mutter verjagt werden.

Manchmal kommt es vor, dass junge Eichhörnchen in heikle Situationen geraten. So kann es passieren, dass ein Kobel durch einen Sturm heruntergeweht wird oder zum Ziel einer Krähen- oder Marderattacke wird. Auch Jungtiere, die bei ihren ersten Ausflügen vom Baum fallen, kommen immer wieder vor. In den meisten Fällen werden die Jungtiere von der Mutter zurückgeholt und bei einer Zerstörung des Kobels in ein Ersatznest gebracht.

Findet man jedoch junge Eichhörnchen, die apathisch wirken oder bereits ausgekühlt sind, so ist menschliche Hilfe gefragt. Auch ein von einem Sturz verletztes Tier muss in eine Eichhörnchen- oder Wildtierstation zur medizinischen Versorgung gebracht werden. Eichhörnchen, die mutterlos sind, suchen auch Hilfe beim Menschen. Kommt ein Tier auf Sie zu und versucht vielleicht sogar an Ihnen hochzuklettern und können Sie keine Mutter in der Nähe sehen, braucht es Ihre Unterstützung.

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Fledermäuse

Unsere heimischen Fledermausarten paaren sich bereits im Herbst. Wie beim Reh auch, findet bei den Fledermausweibchen eine Keimruhe statt. Die Befruchtung findet nach der Beendigung des Winterschlafes in Abhängigkeit des Wetters, des Nahrungsangebotes und der Art statt. Die meisten Jungen kommen im Juni oder Juli nackt und blind und mit einem Gewicht von nur wenigen Gramm zur Welt.

Die Weibchen finden sich zur Geburt und Jungenaufzucht in sogenannten Wochenstuben zusammen, in der, je nach Art, zehn bis mehrere hundert Fledermausmütter zusammenkommen. In der Regel wird ein Junges geboren, selten sind Zwillinge dabei. Fliegen die Mütter zur Nahrungssuche aus, so kuscheln sich die Jungtiere in Pulks aneinander, um sich warm zu halten. Fledermausjunge müssen schnell erwachsen werden: Nach nur vier bis acht Wochen, je nach Art, werden die Jungen flügge und können selbstständig auf Nahrungssuche gehen.

Eine Fledermaus, die am Boden liegt, braucht immer menschliche Hilfe. Im Gedränge der Wochenstuben kommt es immer wieder vor, dass ein Jungtier hinunterfällt. Findet man ein noch nacktes Jungtier am Boden, so besteht die Möglichkeit einer Rückführung zu der Mutter. Wenden Sie sich dazu an den Fledermausschutz Zürich oder an eine Wildtierstation. Auch Jungtiere, die gerade flügge geworden sind, können durch ihre Unerfahrenheit eine Bruchlandung erleben. Auch ihnen kann man die Möglichkeit geben, nachts von einer erhöhten Stelle aus einen erneuten Startversuch zu machen. Nicht abwarten sollte man, wenn die Fledermaus von einer Katze gepackt wurde, offensichtlich verletzt oder stark abgemagert ist.

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Igel

Die Fortpflanzung bei den Igeln erstreckt sich von April bis in den August hinein. In manchen Fällen kommen sogar noch Junge im September zur Welt. In Siedlungsgebieten kann es zu zwei Würfen im Jahr kommen. Nach einer Tragzeit von etwa 35 Tagen kommen zwischen drei und sieben Igeljunge mit einem Gewicht von 12 bis 25 Gramm in einem Nest aus Laub und Gras zur Welt. Die kleinen Igel haben bereits Stacheln, die während des Geburtsvorgangs in die Haut eingebettet sind, um die Mutter nicht zu verletzen.

Der Rest des Körpers ist nackt und die Kleinen sind blind. Auch das für Igel typische Zusammenrollen funktioniert in der ersten Zeit noch nicht, doch das bedeutet nicht, dass die kleinen Igeljungen wehrlos sind. Fauchend und mit aufgestellten Stacheln hüpfen sie einem Angreifer entgegen. In den ersten Tagen bleibt die Mutter bei den Jungen, macht sich jedoch schon bald darauf wieder daran, nachts auf Nahrungssuche zu gehen und die Jungen nur tagsüber zu säugen.

Nach etwa dreieinhalb Wochen gehen die Miniaturigel auf Entdeckungstouren rund um das Nest. Ab einem Alter von sechs Wochen sind die Igel selbstständig. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Igelmütter, wenn sie Ruhe vor dem wilden Nachwuchs brauchen, in einem anderen Nest ruhen und die Jungen für eine Zeit allein lassen. Streunen also tagsüber Jungtiere ohne Mutter durch den Garten und machen diese einen gut genährten und fitten Eindruck, so entspricht das ihrem natürlichen Verhalten. Eingreifen muss man erst, wenn die Tiere abgemagert sind, mit lautem Fiepen nach der Mutter rufen oder noch blinde Jungtiere ausserhalb des Nestes herumkriechen. Dazu wendet man sich an eine Igel- oder Wildtierstation.

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