Ein Pakt mit dem Teufel höchstpersönlich war es, der auf Christines Wange ein spinnenförmiges Mal erscheinen liess. In Gotthelfs bekannter Erzählung «Die schwarze Spinne» bringen die Achtbeiner Unglück und Tod über ein ganzes Dorf. Dass sie nur ein Sinnbild des Bösen sind und Schweizer Spinnen in Wirklichkeit keine Gefahr für den Menschen darstellen, weiss Dr. Lucia Kuhn-Nentwig. «Spinnen gehen mit ihrem Gift sehr sparsam um, da die Produktion aufwendig ist», erklärt die Biologin.

«Sie setzen das Gift mehrheitlich ein, um ihre Beutetiere zu lähmen.» Der Mensch gehört dabei definitiv nicht ins Beuteschema. Trotzdem wehrt sich eine Spinne zuletzt auch mit einem Biss, wenn sie bedrängt wird. «Spinnenbisse sind beim Menschen im Vergleich zu Bienen- und Wespenstichen jedoch recht selten, da sie eher mit Flucht reagieren», beruhigt Kuhn-Nentwig.

Medizinisch gesehen sind es in Europa die Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus), die braune Einsiedlerspinne (Gattung Loxosceles) und die Dornfingerspinne (Gattung Cheiracanthium), die für den Menschen potenziell gefährlich werden können.«Allerdings ist in den letzten 50 Jahren in Europa kein Mensch mehr an einem nachgewiesenen Spinnenbiss gestorben.» Lucia Kuhn-Nentwig ärgert sich daher über die oft reisserischen Berichterstattungen zum Thema Spinnenbisse. Meistens würde ein Biss maximal Schmerzen und Hautrötungen vergleichbar mit einem Wespenstich hervorrufen. Gefährlicher seien Bienenstiche, an denen auch in der Schweiz regelmässig Menschen aufgrund einer starken allergischen Reaktion (anaphylaktischer Schock) sterben.

Tödlich und nützlich

Tiere, die aktiv Gift produzieren, faszinieren uns seit jeher. Sie tun dies in speziell dafür entwickeltem Gewebe, den Giftdrüsen, und verabreichen es über die Mundwerkzeuge (Spinnen), Stacheln (Bienen, Wespen, Skorpione) oder Zähne (Schlangen). Die dadurch verursachten Vergiftungserscheinungen sind abhängig vom Zielgewebe, der Art des Gifts und der Dosis. «In den 400 Millionen Jahren ihres Daseins haben Spinnen verschiedene Giftkomponenten und Zusammensetzungen entwickelt, die genauso vielfältig sind wie die Spinnenfamilien», berichtet Lucia Kuhn-Nentwig. Alle Gifte hätten zum Ziel, die Beute, hauptsächlich Insekten, möglichst schnell wehrlos zu machen und zu töten.

Allerdings bestehen die Spinnengifte auch aus einer Vielzahl an Wirkstoffen, die für die pharmazeutische Industrie interessant sein können. «Die Anwendbarkeit befindet sich allerdings noch im experimentellen Stadium», erklärt die Spinnenexpertin. «Bestimmte Spinnenneurotoxine werden gerade optimiert, um in der Schmerzbekämpfung eingesetzt zu werden. Und in den USA ist ein Spinnenneurotoxin bereits als biologisches Insektenbekämpfungsmittel auf dem Markt.

Spinnen, Skorpione, Schlangen, Bienen und Wespen. Warum sind es gerade uns so ferne Tiere, die Gifte entwickelt haben? Kuhn-Nentwig hat eine Vermutung: «Einerseits sind Arthropoden, also Gliedertiere, schon viel länger auf der Erde als zum Beispiel Säugetiere. Sie machen zudem gut zwei Drittel aller beschriebenen Tierarten aus, das ist eine enorme Vielfalt!» Alleine die Anzahl beschriebener Spinnenarten liegt bei über 50 000, während lediglich etwa 6600 Säugetierarten beschrieben sind. So hätten Spinnen und andere Gliedertiere nicht nur einen evolutiven Zeitvorsprung, um effiziente Gifte zu entwickeln,sondern aufgrund der Artenvielfalt auch mehr Möglichkeiten, um den Beutefang durch diverse Gifte zu optimieren.

Giftige Säugetiere

Tatsächlich gibt es auch giftige Säugetiere. Die in den nördlichen Teilen der USA und Kanadas beheimatete Kurzschwanzspitzmaus (Gattung Blarina) und die Europäische Wasserspitzmaus (Gattung Neomys) verfügen über einen giftigen Speichel, mit dem sie als Fleischfresser ihre Beute lähmen. Auch zwei Arten der Schlitzrüssler (Familie Solenodontidae), die mit Spitzmäusen und Igeln verwandt sind, produzieren in Speicheldrüsen im Unterkiefer ein Nervengift. Wozu das Gift des Schnabeltiers (Ornithorhynchus anatinus) dient, ist nicht abschliessend geklärt. Männchen besitzen an der Ferse einen 1,5 Zentimeter langen Sporn, ähnlich einem Stachel, der ein Gift ausscheidet, welches in einer Drüse im Hinterleib produziert wird. Da nur die Männchen einen solchen Giftsporn besitzen, geht man davon aus, dass er während der Paarungszeit gegen Rivalen eingesetzt wird.

Traurige Popularität erreichten die einzigen giftigen Primaten, die Plumploris (Gattung Nycticebus), welche am Arm eine Giftdrüse besitzen. Dieses Sekret können sie auflecken und mit ihren Eckzähnen applizieren, wo es wahrscheinlich gegen Fressfeinde eingesetzt wird. Durch ihr niedliches Aussehen werden sie in manchen Regionen gerne als Haustier gehalten. Vorher werden ihnen jedoch die Eckzähne gekürzt, aus Angst vor einem verheerenden Giftbiss. Viele Tiere sterben bei dieser Prozedur.

All diese Tiere, inklusive Schlangen und Gliedertiere, sind aktiv giftig, das heisst, sie produzieren ihr Gift in Drüsen und setzen es aktiv während der Jagd oder zur Verteidigung ein. «Dass es unter den Säugetieren nur wenige gibt, die giftig sind, zeigt, dass der Einsatz von Gift als Mechanismus nicht ‹serientauglich› ist. Säugetiere haben für Angriff und Verteidigung andere Möglichkeiten entwickelt, die auch ohne Gift auskommen», mutmasst Kuhn-Nentwig. Trotzdem gibt es viele passiv giftige Tiere, vor denen sich Fleisch- und Insektenfresser in Acht nehmen müssen, damit sie sich nicht den Magen verderben oder gar mit dem Leben bezahlen. Pfeilgiftfrösche, Salamander, Kröten und giftige Insekten stehen dabei ganz oben auf der Liste der ungeeigneten bis tödlichen Mahlzeiten.

Heimtiere vs. Gifttiere

Solche passiv giftigen Tiere sind auch der Hauptgrund, warum Heimtierbesitzer bei «Tox Info Suisse», der Vergiftungszentrale der Schweiz (Tel. 145), anrufen. Laut Oberärztin Dr. Katrin Faber sind es vor allem Kröten, Molche und Salamander, die offenbar eine magische Anziehungskraft auf Hunde und Katzen auswirken. In ihrem Spiel- und Jagdtrieb geraten sie bei den Amphibien jedoch an die falschen Gegner. Haben die Besitzer mitbekommen, dass ihr Haustier mit einer Kröte spielt, so sollten sie das Maul ihres Lieblings ausspülen und einen Tierarzt aufsuchen. Öfters kommt es zu starker Speichelbildung und Muskelzittern infolge der Vergiftung mit dem Hautdrüsengift. Wurde das vermeintliche Beutetier gar verschluckt, so handelt es sich um einen Notfall, denn dann besteht akute Lebensgefahr.

«Häufiger als Vergiftungen durch Amphibien sind jedoch Fälle, in denen Heim- und Nutztiere mit Prozessionsspinnerraupen in Kontakt geraten sind», berichtet Faber. Jede Raupe besitzt bis zu 5000 feine Brennhaare mit Widerhaken, die sich an Haut und Schleimhaut festsetzen und sogar in Futterheu sein können. Bei der geringsten Berührung setzen sie einen Cocktail aus Nesselgiften frei, der bei Menschen und Tieren eine allergische, entzündliche Reaktion auslöst. Das Resultat sind brennende Bläschen, gereizte Schleimhäute bis hin zu schmerzhaftem Husten und Asthma. Ein sofortiges Abspülen mit Wasser kann das Brennen und den Juckreiz lindern. Bei schweren Symptomen ist auch hier der Tierarzt der richtige Ansprechpartner. «Grundsätzlich sollte man beim Spaziergang Nester von Prozessionsspinnerraupen meiden», rät Faber.

Aktiv giftige Tiere seien selten der Grund von Anrufen auf dem Infotelefon, sagt Katrin Faber. 2022 wurden insgesamt sechs Schlangenbisse gemeldet, vier bei Hunden, einer bei einer Katze und einer bei einer Kuh. «In solchen Fällen ist ein sofortiger Gang zum Tierarzt erforderlich», rät die Ärztin. Dieser organisiert dann im Bedarfsfall ein entsprechendes Gegengift, das Antivenom. Die häufigste Schlange der Schweiz, die Ringelnatter (Natrix natrix), ist allerdings nicht giftig. Hier besteht lediglich eine Gefahr für Allergiker. Die beiden Giftschlangen der Schweiz, die Kreuzotter(Vipera berus) und die Aspisviper (Vipera aspis) kommen nur im Alpenraum und vereinzelt im Jura vor.

Vorbeugend ist es in Schlangengebieten besser, wenn Hunde angeleint werden und man auf den Wegen bleibt. Kommt es doch einmal zu einem Bissvorfall, so sollte sich der Patient möglichst wenig bewegen und im Idealfall getragen werden. «Keinesfalls darf die Bissstelle abgebunden, aufgeschnitten oder gar ausgesaugt werden», warnt Faber, und betont gleichzeitig, dass Schlangen nur im äussersten Notfall beissen und bei Störungen lieber das Weite suchen.