Die Sinne der meisten Tiere sind unseren weit überlegen. Lediglich beim Hörsinn können wir Menschen erstaunlich gut mithalten. Von unseren fünf Sinnen ist der Hörsinn am differenziertesten und leistungsfähiger als unser Auge. Mithilfe unserer Ohren können wir zwischen zehn Oktaven oder 400 000 Tönen unterscheiden und das in Frequenzen zwischen 16 und 20 Kilohertz. Frequenzen, die darunterliegen, nennt man Infraschall, jene darüber Hyper- oder Ultraschall.

Hunde und Katzen können zum Beispiel im Ultraschallbereich hören. In diesem Bereich liegt auch die Ruffrequenz von Fledermäusen. Das bei uns heimische Braune Langohr stösst Rufe im Bereich zwischen 27 und 56 Kilohertz aus und bewegt sich damit geschickt und vor unseren Ohren verborgen durch die Nacht. Mithilfe der Ultraschallrufe orientieren sich die Fledermäuse in völliger Dunkelheit, indem sie die zurückgeworfenen Schallwellen aufnehmen und zu einem dreidimensionalen Bild konstruieren.

Sie sehen also praktisch mit den Ohren, die sie wie Satellitenschüsseln ausrichten können. Kein Wunder, sind diese entsprechend gross. Mit knapp vier Zentimetern sind sie beim Braunen Langohr fast so lang wie der restliche Körper und damit im Vergleich zur Grösse des Tieres die längsten Ohren der Welt.

[IMG 2]

Körpereigene Klimaanlagen

Die absolut grössten Ohren besitzt der Afrikanische Elefant. Sie werden etwa 120 Zentimeter breit und bis zu 200 Zentimeter hoch und sind damit etwa so gross wie ein Einzelbett. Obwohl Elefanten hervorragend hören können, nutzen sie die Ohren für etwas ganz anderes. Elefantenohren besitzen auf der Rückseite ein dichtes Geflecht aus Arterien und Venen, die sich je nach Temperatur erweitern oder zusammenziehen.

Die Dickhäuter pumpen so Blut an die schattige Seite der Ohren und kühlen dieses durch kräftiges Fächeln ab. Durch die Bewegung gelangt zudem auch heisse Luft vom Körper weg und schafft so doppelt Erleichterung. Grosse Ohren sind somit die Klimaanlagen der Wüste und auch bei anderen Bewohnern dieser Lebensräume zu beobachten.

Wüstenfüchse, Springmäuse und Karakale haben ebenfalls auffallend grosse Ohren. Karakale werden auch Wüstenluchse genannt, weil sie Ähnlichkeiten mit den in kühleren Regionen vorkommenden Luchsen haben. Auffallend bei beiden Katzenarten sind die Pinsel, welche an den Spitzen der Ohren wie lange Quasten abstehen. Wozu die langen Haare dienen, ist nicht abschliessend geklärt. Es wird vermutet, dass damit der Schall zu den Ohrmuscheln gelenkt werden kann, sie als Windsensoren dienen oder zur innerartlichen Kommunikation. Es kann aber auch sein, dass sie überhaupt keinen Zweck erfüllen, aber sich im Laufe der Evolution gehalten haben, da durch sie kein Nachteil entsteht.

[IMG 4]

Die Ohren des Eurasischen Luchses sind schwarz mit jeweils einem runden weissen Fleck. Eine solche kontrastreiche Zeichnung wird auch Augenfleck genannt, was recht eng mit der vermuteten Funktion zusammenhängt. Auch andere Katzenartige wie Tiger und Servale besitzen solche Augenflecken.

Man geht davon aus, dass ein sich von hinten näherndes Tier die Flecken auf den Ohren beim flüchtigen Hinsehen für Augen halten könnte und entsprechend vorsichtig ist. Zudem drehen die grossen Katzen ihre Ohren oft nach hinten und zeigen diese Augenflecken, wenn sie sich bedroht fühlen. Entsprechend können die Flecken auch der Kommunikation mit Artgenossen dienen.

Das sprechende Ohr

Grundsätzlich nutzten viele Tiere ihre Ohren, um ihrem Gegenüber zu vermitteln, was in ihnen vorgeht. Man denke nur alleine an die angelegten Ohren einer wütenden oder ängstlichen Katze. Sehr wichtige Kommunikationsorgane sind die Ohren von Pferden. Aufgerichtete, nach vorne gestellte Lauscher signalisieren Freundlichkeit und Aufmerksamkeit, flach nach hinten angelegte Ohren stehen für Stress, Aggression, Angst oder Schmerz.

Wer mit Pferden arbeitet, weiss, dass es jedoch nicht unbedingt einfach ist, die Sprache der eleganten Tiere alleine durch die Ohren zu verstehen. Zusammen mit der Mimik und der Körperhaltung ergibt sich erst das komplette Bild. Die Ohren sind für Pferde als typische Fluchttiere die wichtigsten Sinnesorgane, um Gefahr rechtzeitig erkennen zukönnen. 16 Muskeln sorgen dafür, dass sich jedes Ohr um 180 Grad drehen kann, unabhängig vom anderen. So haben die Tiere bei Bedarf jederzeit einen akustischen «Rundumblick».

Ein Rundumblick ist auch als Jäger eine nützliche Sache. Viele Eulen können ihren Kopf um bis zu 270 Grad drehen und sich damit einen Überblick verschaffen. Ihre Ohren helfen ihnen dabei. Sie sitzen schlitzförmig an der Seite des Kopfs, die rechte Ohröffnung bei vielen Arten etwas höher als die linke, um die Richtung des Geräusches besser einschätzen zu können. Der Gesichtsschleier der Vögel lenkt den Schall zu den Ohröffnungen und verstärkt ihn zusätzlich. Die Federohren bei manchen Arten wie der Waldohreule und dem Uhu gehören dabei nicht zum Ohr und haben auch nichts mit dem Hören zu tun. Man geht davon aus, dass sie als Stimmungsanzeiger gegenüber Artgenossen eine Rolle spielen, zum Beispiel während der Balz oder bei Rivalitäten. Wie die Ohren von Vögeln tatsächlich aussehen, kann man bei Arten erkennen, bei denen diese nicht durch Federn bedeckt werden, wie beim Nandu.

Hören mit den Beinen

Dass Ohren nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind, davon können auch Insektenliebhaber ein Lied singen. Anders als bei Wirbeltieren spricht man bei Insekten jedoch nicht von Ohren, sondern vom Tympanalorgan. Und dieses kann bei den Gliedertieren an rund 20 verschiedenen Stellen sitzen, die meistens nicht am Kopf zu finden sind. Bei Grillen zum Beispiel sitzt das Tympanalorgan an den Vorderbeinen, bei Heuschrecken oft an den Knien. Die Organe besitzen dabei wie die Ohren von Wirbeltieren ein Trommelfell, eine dünne Membran, die die Schallwellen in mechanische Schwingungen umwandelt.

Ins Reich der Insekten gehört auch der Rekordhalter im Hören von hohen Tönen. Die Grosse Wachsmotte kann Töne in einer Frequenz von 300 Kilohertz hören, was selbst weit über dem Hörbereich von Fledermäusen liegt. So kann die Wachsmotte den Ultraschallrufen von Fledermäusen lauschen und sich bei Gefahr rechtzeitig vom Acker machen, bevor sie zur Mahlzeit wird. Die Tympanalorgane des Insekts liegen auch hier ganz wo anders, als man sie vermuten würde, nämlich am Bauch.

Auch Hörhaare können bei Insekten die Funktion von Ohren übernehmen. Mückenmännchen können so über die Antennen das Summen von Artgenossinnen noch aus mehreren Metern Entfernung hören. Auch die menschliche Sprache erzeugt Energie auf der für Mücken hörbaren Frequenz, weswegen diese uns vielleicht nicht nur über den Geruch, sondern auch durch Hören aufspüren.

[IMG 3]