Wanderlust
Eine Rundtour auf dem Natuschutzgebiet der St. Petersinsel
Der grün gesäumte Wanderweg von Erlach auf die Petersinsel ist ein kleines Paradies, nicht nur für die Besucherinnen und Besucher. Das Naturschutzgebiet ist auch ein beliebter Rückzugsort für Brut- und Gastvögel. Ein Experte erklärt, was wachsame Besucher auf einem Rundgang auf der Insel entdecken können.
Die St. Petersinsel im Bielersee ist ein beliebter Ausflugsort an schönen Wochenenden. Der viereinhalb Kilometer lange Heidenweg lädt geradezu ein, durch das satte Grün zu flanieren und bei einer leckeren Limonade im Restaurant des Klosterhotels auf der Petersinsel den Ausblick auf den See zu geniessen. Wer schon einmal dort war, versteht, warum sich Jean-Jacques Rousseau im 18. Jahrhundert diesen grünen Fleck inmitten des Bielersees als Rückzugsort ausgesucht hat. Was einigen Besuchern bei dieser Aussicht jedoch oft entgeht, ist die einzigartige Natur, die die Insel umgibt. «Vielen ist beispielsweise gar nicht bewusst, dass der Heidenweg eines der grössten Flachmoore von nationaler Bedeutung im Kanton Bern und im ganzen Mittelland ist», sagt der Biologe und Ornithologe Thomas Sattler. Seit 2006 betreut er zusammen mit einem Team der Ala, Schweizerische Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz, und im Namen von BirdLife Bern den Heidenweg und zeigt auf einer Spazierfahrt mit dem Velo, was es auf dem Weg alles zu sehen gibt.
Sehenswertes gibt es laut Sattler nämlich schon am Start des Heidenwegs, unmittelbar nach der kleinen Brücke bei den Bootsplätzen in Erlach. Dort am südöstlichsten Punkt des Hafens kann man über den See blicken und Blässhühner, die auch als Taucherli bekannt sind, Stockenten und Schwäne in ihrem Revier beobachten. An jenem Aprilmorgen liefern sich gleich zwei männliche Höckerschwäne einen Revierkampf, machen sich gross und jagen einander flügelschlagend davon, während daneben ein Taucherli-Paar sich um ihr Nest im Schilf kümmert. «Das ist ein sehr guter Standort, um Vögel zu beobachten», sagt Sattler und richtet sein Fernglas auf die Schnatterenten am gegenüberliegenden Ufer. Weiter vorne auf dem Heidenweg sei der See weit weg und die Vegetation im Sommer so dicht, dass man kaum auf das Wasser blicken kann und auch die kleinen Vögel in den Baumkronen nicht sehe. «Der Weg kann dadurch etwas eintönig wirken.» Aber das täuscht.
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Vögel beobachten
Nur wenige Schritte weiter im Startbereich des Heidenwegs befindet sich etwa eine grosse Graureiher-Kolonie. Die Nester, auch genannt Horste, sind leicht zu verwechseln mit Mistelzweigen und verteilen sich auf mehrere Baumkronen nördlich des Wegs. Unter ihnen brütet auch ein Schwarzmilan, sagt Sattler. Überhaupt ist das Naturschutzgebiet rund um den Heidenweg ein Paradies für Brutvögel. Im rund acht Kilometer langen Schilfgürtel der Insel finden sie für Schweizer Verhältnisse viel Platz. «Wir haben hier grössere Vogelbestände als anderswo in der Schweiz», sagt Sattler und lauscht. Unter dem Singen dutzender Vögel hat er den Gesang der Nachtigall ausgemacht. Sie und der Fitis gehören zu den seltenen Vogelarten, die am Heidenweg brüten. Man brauche allerdings viel Glück, um die Nachtigall zu sehen. An diesem Morgen zeigt sie sich auf jeden Fall nicht mehr. Stattdessen fliegen kurz danach ein Kormoran, weiter hinten ein Gänsesäger vorbei und zwischen den Booten taucht ein Haubentaucher auf – und alles noch immer bevor wir uns überhaupt auf dem eigentlichen Heidenweg befinden.
Dabei ist das Naturschutzgebiet noch sehr jung. Entstanden ist der Heidenweg mit der ersten Juragewässerkorrektion zwischen 1868 und 1891, als der Wasserspiegel des Sees um 2.5 Meter gesenkt wurde. Bis dahin war die St. Petersinsel vom Festland getrennt. Heute ist das Gebiet eine Moorlandschaft, ein Flachmoor, ein Auengebiet und ein Amphibienlaichgebiet von jeweils nationaler Bedeutung. Unterwegs lässt sich das Flachmoor mit seinen verschiedenen Tieren und Pflanzen durch Öffnungen in den Hecken, die den Heidenweg säumen, beobachten. Zu den Arten, die im Gebiet gefördert werden, gehören etwa der Lungenenzian, der Schweizer Alant, die Kurzflügelige Schwertschrecke oder aber auch der Teichmolch, Laubfrosch und Libellen. «Der Heidenweg ist eine kleine Kompensation für alles, was Gewässerkorrekturen der Natur in den letzten 150 Jahren genommen haben», so Sattler.
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Damit sich Besucher aufmerksamer durch das Gebiet bewegen und sich dessen Bedeutung bewusstwerden, ist ein neues Kommunikationskonzept geplant. «Es ist sehr schade, wenn die Menschen gar nicht wissen, welche Besonderheit sie hier vor sich haben», so Sattler, der an der Umsetzung des Konzepts beteiligt ist. Geplant sind neue Thementafeln entlang des Heidenwegs und auf der Insel, die Besucherinnen und Besucher besser über die Natur und die Kultur um sie herum informieren sollen. Sie sollen voraussichtlich im Herbst 2024 stehen. Interessant wird es nämlich auch auf der Petersinsel mit seinem historischen Kloster, das heute als Restaurant und Hotel für das Wohl der Touristen sorgt, sowie dem Biobetrieb der Familie Schumacher. Die Tafeln sind auch für die Besucherleitung notwendig, wie Sattler erklärt. Es komme leider immer wieder zu Verstössen gegen das Naturschutzgesetz. Das Hauptproblem seien Besucher, die ausserhalb der Feuerstellen ein Feuer machen oder auf der Insel übernachten. «Solange sich die Besucher aber an die Regeln halten, ist ihr Einfluss auf die Tiere gering.» Seit einigen Jahren kontrollieren auch zwei Ranger das Besucherverhalten auf der Insel.
Naturinteressierten Besuchern empfiehlt Thomas Sattler, die Halbinsel unter der Woche und am Morgen möglichst früh zu besuchen, wenn die Vögel lautstark singen und erst wenige Menschen unterwegs sind. Die besten Monate dafür seien April bis Mai, aber zu sehen und zu hören gebe es das ganze Jahr hindurch etwas. Die Insel erkundet man entweder zu Fuss oder auf dem Velo. Eine Rundtour auf dem Drahtesel dauert von der Gemeinde Erlach aus etwa eine Stunde, zu Fuss ohne Pausen rund drei Stunden. Erreichen kann man den Heidenweg in Erlach via Petersinsel mit dem Schiff oder mit dem öffentlichen Verkehr, dem Auto oder mit dem Velo.
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Biodiversität auf Inseln
Inseln sind isolierte Ökosysteme, die einen eingeschränkten Austausch mit anderen Ökosysteme haben. Sie können wasserumgebene Inseln, Oasen in der Wüste, isolierte Bergspitzen oder auch grüne Parks in urbanen Siedlungsräumen sein, wie die Biologin und Botanikerin des Botanischen Gartens der Universität Bern, Katja Rembold auf Anfrage erklärt. In der Schweiz befinden sich rund 90 wasserumgebene Inseln, wobei manche künstlich geschaffen wurden, beispielsweise durch Stauseen. «Da die Schweiz aber keine Verbindung zum Meer hat, handelt es sich um Binnenseeinseln», sagt Rembold. Sie befinden sich oft in der Nähe eines Ufers oder sind als Halbinseln mit dem Festland verbunden. «Dadurch gibt es vergleichsweise viel Austausch zwischen Organismen vom Festland und damit eine geringere Isolation.» Auch auf der St. Petersinsel, die eine Halbinsel ist, seien daher keine Arten zu erwarten, die es natürlicherweise nicht auch auf dem Festland gibt. «Da sie aber grösstenteils von Wasser umgeben ist, eignet sie sich hervorragend als Naturschutzgebiet», sagt sie. So könne man Arten, die auf dem Festland verdrängt werden, einen ungestörten Rückzugsort bieten.
Weitere Insel-Tipps für den Sommer
Brissago-Inseln (TI)
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Die Brissago-Inseln im Lago Maggiore im Tessin bestehen aus der Isola Grande, die auch Isola di San Pancrazio genannt wird, und der Isola Piccola, die auch die Namen Isola di Sant’Apollinare oder Isola dei Conigli trägt. Sie gehören zur Gemeinde Brissago. Öffentlich zugänglich ist jedoch nur die grössere der Inseln, die Isola Grande. Auf dieser finden Besucher einen einzigartigen und den schweizweit einzigen Botanischen Garten auf einer Insel. Er beeindruckt mit einer grossen Vielfalt an subtropischer und mediterraner Pflanzen, die dank dem milden Klima auf der Insel mit viel Niederschlag viel Sonnenschein problemlos gedeihen. Die Insel ist per Schiff erreichbar und bietet zudem auch ein kulinarisches und ein Übernachtungsangebot.
Insel Schwanau (SZ)
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Die Insel Schwanau liegt im Lauerzersee im Kanton Schwyz. Das gesamte Gebiet des Sees ist unter Naturschutz und bietet zahlreichen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum. Sie hat zudem eine bewegte Geschichte hinter sich, davon zeugt noch immer die Burgruine auf der Insel. Sie soll Ende des 12. Jahrhunderts erbaut worden, aber schon bald einem Feuer zum Opfer gefallen sein. Später lebten verschiedenste Persönlichkeiten auf der Insel. Heute kann man im Restaurant verweilen und erreicht die Insel bequem per Fährschiff namens «Gemma von Arth», benannt nach einer Bauerntochter, die um 1300 von einem tyrannischen Landvogt auf die Insel entführt worden und bei einem Fluchtversuch im eiskalten See ertrunken sei.
Insel Ufenau (SZ)
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Die Insel Ufenau ist die grösste Insel der Schweiz, die nicht über eine Brücke mit dem Festland verbunden ist. Sie liegt im Zürichsee, gehört aber zum Kanton Schwyz und ist seit dem Jahr 965 im Besitz des Klosters Einsiedeln, das für die landwirtschaftliche Nutzung der Insel verantwortlich ist. Die Ufenau ist zudem ein Naturschutzgebiet, das grosse kulturelle Vielfalt bietet. Die Fundamente eines gallo-römischen Tempels etwa zeugen von ihrer Besiedlung im 2. und 3. Jahrhundert. Später wurde an dieser Stelle die Pfarrkirche St. Peter und Paul erbaut, dazu die Kapelle St. Martin. Ausserdem bietet eine Inselwirtschaft Verpflegung und Platz zum Verweilen an. Die Insel erreichen Interessierte mit dem eigenen Boot, mit dem Kursschiff oder auch per Bootstaxi, das man bestellen kann.
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