Vom Moor bis zur Bergspitze
Eintauchen in die Biosphäre Entlebuch
Täler mit einsamen Höfen, Berge mit Karstfelsflanken, Moorlandschaften und Wälder dominieren die Hügellandschaft des Entlebuchs. Tier- und Pflanzenwelt sind von nationaler Bedeutung. Kein Wunder, ist das Entlebuch ein Unesco-Biosphärenreservat. Doch wie vertragen sich die wirtschaftlichen Interessen der Biosphäre mit dem Schutzgedanken?
Vom Brienzer Rothorn bis zur Gemeinde Entlebuch und an die Hänge des Napfs – hier erstreckt sich die Unesco Biosphäre Entlebuch. Auf knapp 400 Quadratkilometern breitet sich eine vielfältige Welt aus, vom Bauernhof bis zum mystischen Moor. Im Jahr 2000 wurde an Gemeindeversammlungen über Pro-Kopf-Beiträge für die Unterstützung einer Biosphäre abgestimmt. «Mit einer durchschnittlichen Zustimmung von 94 Prozent», sagt Franziska Hofer. Die Tourismusfachfrau ist seit acht Jahren für die Biosphäre Entlebuch tätig und wohnt selbst im Gebiet. «Hier bin ich aufgewachsen, und ich empfinde es als Privileg, für meine eigene Heimat arbeiten zu können», sagt sie. Sie entdecke auch als Ortsansässige immer wieder Neues.
Franziska Hofer erklärt, dass der Anfang der Biosphäre Entlebuch die Rothenthurm-Initiative gewesen sei. 1987 stimmte die Schweizer Bevölkerung dieser Initiative zum Schutz von Moorlandschaften zu. Das Entlebuch weist mit über 100 Mooren das grösste Moorvorkommen der Schweiz auf. Die Moorflächen nehmen 26 Prozent der Landschaft ein. «Viele Leute befürchteten damals, dass alles unter Schutz gestellt wird», sagt Franziska Hofer. Es habe zahlreiche Diskussionen gegeben, bevor die Bevölkerung eingesehen habe, dass der Moorschutz auch eine einmalige Chance biete. So entstand das erste Unesco Biosphärenreservat der Schweiz. Die Unesco ist eine Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur.
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In einer Biosphäre sei alles miteinander im Einklang, erklärt Franziska Hofer. «Menschen und Natur teilen sich den Platz.» Zudem werde das Gebiet touristisch genutzt. Die Biosphäre Entlebuch weist drei Zonen auf. «In der Kernzone befinden sich Moore und Karstlandschaften. Hier sind nachhaltige Pflegeeingriffe möglich.» Dann gibt es eine Pflegezone. Darin befänden sich beispielsweise landwirtschaftliche Betriebe, Schutzwälder und Flachmoorweiden. Hier wird das Wohl der Bevölkerung gleich stark wie das Wohl der Natur gewichtet. Die dritte Zone dient der Entwicklung, also dem Menschen mit seinen recht vielfältigen Ansprüchen.
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In der Biosphäre Entlebuch liegen sieben Gemeinden. «Als Gemeindeverband können Entlebucher als Delegierte mitreden», sagt Franziska Hofer. «Es werden stets neue Lebensräume aufgewertet, beispielsweise werden Moore, die früher entwässert wurden, wieder revitalisiert. Auch Teiche werden angelegt.» Die Massnahmen seien darauf ausgelegt, die Biodiversität zu fördern. «Es ist ein dauerhafter Prozess.»
Die Eiszeit überlebt
Die Schweizer Naturschutzorganisation Pro Natura sieht Biosphärenreservate differenziert. Die Mediensprecherin Nathalie Rutz sagt: «Wenn sie einen Managementplan haben, um die Entwicklung der Region in eine positive Richtung zu steuern, sind sie eine gute Sache. Bei der Umsetzung, zum Beispiel bei der Erhaltung und Förderung der Moore, besteht aber bei der Biosphäre Entlebuch noch viel Luft nach oben.» Die zunehmende Vermarktung der Unesco Biosphäre Entlebuch sei verbunden mit dem Ausbau von Infrastrukturanlagen wie Skiliften, Bergbahnen und Biketrails. «Hier kollidieren die wirtschaftlichen und touristischen Interessen der Biosphäre mit dem Schutzgedanken.»
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Dank der geographischen Vielseitigkeit der Region und der zahlreichen Moore ist die Pflanzen- und Tierwelt reichhaltig und teilweise einzigartig. Sonnentau und Orchideen bevorzugen Standorte in den Flach- und Hochmooren. Da gedeiht auch die Moor-Binse. Die letzten Reliktvorkommen Mitteleuropas dieser eiszeitlichen Art liegen in der Schweiz, und zwar auch im Entlebuch. Eine eiszeitliche Art ist ebenfalls die Schwarzglänzende Moorameise, die in ihrer Verbreitung in Mitteleuropa fast nur noch auf das Entlebuch beschränkt ist. Sie wurde dort durch den Tübinger Biologen Dr. Wolfgang Münch entdeckt und konnte sich in den besonderen Moor-Lebensräumen halten.
«Die Moorameise ist ansonsten nur noch in Sibirien und Zentralasien häufig.»
Diese Biotope weichen klimatisch kaum von Bedingungen während der Eiszeiten ab. Die Ameisen mögen nasse, kühle Lebensräume. Die Moore sind letzte Rückzugsorte. Die Moorameise ist ansonsten nur noch in Sibirien und Zentralasien häufig. Eine weitere Ameisenart, die Säbeldornige Knotenameise, zieht die Larven des gefährdeten Schwarzfleckigen Ameisenbläulings auf, der im Entlebuch beobachtet werden kann. Der filigrane Schmetterling gaukelt über Alpweiden und legt seine Eier an der Thymianpflanze ab. Nachdem die Raupen geschlüpft sind, fressen sie davon, lassen sich dann aber fallen und täuschen das Aussehen junger Ameisen vor. Tatsächlich fallen die Ameisen auf diesen Trick herein, transportieren die Raupe in ihr Nest und füttern sie wie die eigene Brut bis zur Verpuppung. Schliesslich fliegt der Bläuling aus dem Ameisennest aus.
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Wenn auch im Entlebuch mit Steinbock und Adler typische kapitale Alpentiere leben, so gibt es eben auch zahlreiche verborgene Raritäten, so wie die Geburtshelferkröte. Die Männchen locken im Frühling mit glockenähnlichen Rufen Weibchen an. Im Entlebuch leben noch einige Populationen dieser gefährdeten Amphibienart, die so heisst, weil sie Brutpflege betreibt. Das Männchen wickelt die Laichschnüre um seine Hinterbeine und entlässt die Nachkommen erst ins Wasser, wenn sie schlupfreif sind. «Wir setzen uns mit zahlreichen Projekten für regionaltypische und gefährdete Tier- und Pflanzenarten ein, denn wir tragen als Naturpark eine hohe Verantwortung», betont Franziska Hofer.
Ausflüge im Entlebuch
Brienzer RothornVon Sörenberg führt die Luftseilbahn in sieben Minuten auf das Brienzer Rothorn. Aussicht und Natur sind überwältigend. Die Möglichkeit besteht, dort auf Steinböcke zu treffen. Sie wurden wieder angesiedelt und haben sich zu einer grossen Kolonie ausgebreitet. Gerade in den frühen Morgenstunden sind sie präsent, liegen gar auf den Wanderwegen. Meist sind sie im Rudel unterwegs. Es ist ein besonderes Erlebnis, durch 50 Steinböcke zu wandern.
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Der Hirschbrunft auf der SpurHirsche röhren im Herbst auch in der Biosphäre Entlebuch. Die kapitalen Stiere machen mit Vorliebe an freien Stellen wie etwa auf Lichtungen auf sich aufmerksam, fordern zur Paarung auf oder treiben abtrünnige Weibchen wieder zurück. Vom 20. bis 28. September führen Exkursionen mit dem Wildhüter in entlegene Gebiete, um dem eindrücklichen Hirschröhren zu lauschen.
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Baumeisterin WaldameiseDie Ameisenhaufen an sonnigen Stellen am Waldrand sind Anzeichen einer intakten Natur. In der Biosphäre Entlebuch hat es noch Ameisenhaufen sowie verschiedene Ameisenarten. Auf einer Exkursion mit einem spezialisierten Ameisen-wächter, ausgerüstet mit Becherlupen, lernen Interessierte das Leben des besonderen Insekts näher kennen. Ein Nischenthema, das in viele Bereiche führt.
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Karst- und HöhlenlandschaftWie entstehen Karsthöhlen, welche Fauna und Flora passt sich an das Leben der kargen Karstlandschaft an? Hat es überhaupt Leben in den Höhlen? Diesen Fragen wird auf der Exkursion in der Schrattenfluh auf den Grund gegangen. Ausgerüstet mit Helm und Stirnlampe in die Kühle einer Tropfsteinhöhle hinabzusteigen, ist ein besonderes Erlebnis, das haften bleibt.
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Auf den Spuren der ZugvögelAuf einer Exkursion im Oktober werden besonders auch Zugvögel beobachtet, die über die Biosphäre Entlebuch fliegen. Als Beobachtungsort wird meist ein Moor ausgewählt. Auf der Exkursion werden durch Ornithologen spannende Fakten zu Zugrouten vermittelt. Kernbeisser, Wiesenpieper und Erlenzeisige sind Gefiederte, die nicht alltäglich sind und die vielleicht nebst anderen Vögeln beobachtet werden können.
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Mit dem Forscher im MoorIn der Biosphäre Entlebuch wird zum Moor geforscht. Diese Exkursion bietet Gelegenheit, einem Forscher über die Schulter zu schauen. Was tut er dort, welchen Themen geht er nach, was findet er heraus? Auf einer Rundwanderung bietet sich ein tiefer Einblick in das besondere Leben im Moor mit seinen typischen Pflanzen und Tieren.
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Informationen und Anmeldungen: biosphaere.ch-exkursionen
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