Psilocybin, Party und Pilze
Geschichtstrip mit Zauberpilzen
Magic Mushrooms gelten in vielen Kulturen als Tor zu einer anderen Welt: zum Urwissen der Natur. Die moderne Verbreitung der Pilzchen in den 1960ern führte über die Schweiz. Heute sind psychedelische Pilze in der Regel illegal.
«Die Schweiz hat keine lange Pilzgeschichte», erzählt Verleger Roger Liggenstorfer und präzisiert: In den 80er-Jahren habe es einen Aufschwung von Magic Mushrooms aus Wales und in den 90ern einen Run auf die Smartshops gegeben. «Bis dahin waren die Pilzchen relativ legal», sagt er. Laut Barbara Zoller, Vorstandmitglied der Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane der Schweiz (VAPKO), gibt es auch in der Schweiz heimische Psilos. Der hierbekannteste psychoaktive Pilz ist der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata).
Vor allem in den 90er-Jahren machten Zauberpilze auch in der Schweiz Furore: Doch fehlende Informa-tionen hätten zu einem unkontrollierten Massenkonsum geführt und die psychedelischen Pilze hätten sich en masse verkauft, berichtet der Experte Liggenstorfer. «Die Leute waren zu wenig aufgeklärt, was den Konsum anging. Deshalb habe ich 1984 den Nachtschatten-Verlag gegründet», erklärt er. «Der Nachtschatten-Verlag will die Leute bilden. Im Schwarzmarkt gibt es weder Beipackzettel noch gibt es einen Jugendschutz.» Über Drogenkonsum aufklären möchte auch der Verein «Eve & Rave», den Roger Liggenstorfer 1996 gegründet hatte. «Er dient der Förderung der Partykultur und der Minderung der Drogenproblematik. Die Substanzen sind trotzdem auf dem Markt. Durch fundierte Informationen und Drug Checking wissen die Menschen, was sie einnehmen», erklärt der 65-Jährige.
Wie die Shroomies in Europa landeten
Sie tragen unterschiedliche Namen wie Shroomies, Psilos oder einfach Magic Mushrooms, doch die weltweit über 100 Arten psychoaktiver Pilze haben eins gemeinsam, nämlich den halluzinogenen Wirkstoff Psilocybin. Dieser wird nach der Aufnahme in Psilocin umgewandelt, dessen Struktur dem Neurotransmitter Serotonin ähnelt. Psilocybin kann zu kurzzeitigen Halluzinationen führen. Psychedelische Pilze spielten nicht nur in den alten Kulturen Südamerikas eine grosse Rolle, sie waren auch den europäischen Völkern wie den Germanen oder Kelten kein Fremdwort. In den 1960er-Jahren entdeckten die westlichen Kulturen den Zauberpilz wieder. Als Begründerin der modernen Pilzkultur gilt die Mazatekin María Sabina.
«Der heilige Pilz nimmt mich bei der Hand und führt mich in jene Welt, in der alles bekannt ist. Sie sind es, die heiligen Pilze, die auf eine Weise sprechen, die ich verstehen kann», so beschreibt María Sabina 1981 ihre Beziehung zu den Zauberpilzen der Mazateken. In der mexikanischen Stadt Huautla de Jiménez war sie eine curandera – eine sogenannte Medizinerin, die Menschen mit Pilzen heilte. Den Pilzen wurden nicht nur heilende Kräfte nachgesagt, sie galten sogar als heilig. Die Mexikanischen Kahlköpfe wurden Teonanácatl genannt, was so viel bedeutet wie Fleisch der Götter. Gordon Wasson, Vizepräsident der Investment Bank J.P. Morgan brachte die Pilze 1955 nach einer Session bei María Sabina nach Europa, genauer gesagt in die Schweiz zu Albert Hofmann, dem Entdecker von LSD. Dieser erforschte die Pilzchen nicht nur unter dem Mikroskop, sondern auch im Selbstversuch, und schaffte es, die wirksamen Stoffe Psilocybin und Psilocin zu finden. Er arbeitete beim Pharmaunternehmen Sandoz und begann dort, die psychedelischen Pilze zu züchten. Das war aber nicht sein einziger Durchbruch: Nach kurzer Zeit gelang es ihm, den Wirkstoff synthetisch herzustellen. Roger Liggenstorfer beschreibt die Geschichte des Zauberpilzes in Europa «als mehrere Wellen». Die erste Welle war die Entdeckung oder genauer gesagt, die europäische Wiederentdeckung der psychoaktiven Pilze. Laut des Buches von Arno Adelaars «Alles über Psilos» schwappte in der zweiten Welle der Gebrauch von Zauberpilzen auf die Hippiekultur und die Partyszene der 80er und 90er über. 1993 wurde in Amsterdam der erste Smartshop «Conscious Dreams» gegründet, in welchem die Zauberpilze verkauft wurden. Erst mit dem Internet der 90er wurde der Zugang zu Informationen rund um den Konsum von Psilos zugänglich. Die Plattform shroomery.org spielte und spielt dabei eine grosse Rolle.
Heimische Pilze und die Sucher
Auch Europa hat eine magische Pilzgeschichte. Es gibt Überlieferungen alter europäischer Völker, wie der Germanen oder Kelten, die sich der Psilos bedienten. Die Germanen würzten damit ihr Met und die Kelten nannten die Pilzchen «Feennahrung». Mit dem Aufkommen des Christentums ging das Wissen rund um die bewusstseinserweiternden Hütchen verloren. Doch wie wirken Zauberpilze eigentlich? Roger Liggenstorfer erklärt, dass die Pilze bei allen anders wirken, die Erfahrungen zweier Personen seien nie identisch. «Bei den Pilzchen handelt es sich um eine potente Substanz. Sie wirken ähnlich, aber nicht so stark ist wie LSD.» Psilocybin gehört zu den Halluzinogenen – allerdings führt nicht jede Einnahme zu einem gleich intensiven Rausch. Bei den Pilzchen handle es sich um ein Naturprodukt, die Konzentration des Wirkstoffs könne ganz unterschiedlich sein, erklärt der Experte. Und genau dieser Umstand macht psychedelische Pilze unberechenbar. Der Wirkstoff werde mit der Zeit abgebaut, deshalb würden Pilze, die unverzüglich frisch getrocknet wurden, stärker wirken als lang gelagerte Exemplare.
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Anfang der 2000er-Jahre sei der unkontrollierte Konsum von Psilos in der Schweiz überbordet, berichtet Roger Liggenstorfer. Mittlerweile unterliegen sie dem Betäubungsmittelgesetz. Trotzdem gaben 3,7% der Schweizerinnen und Schweizer über 15 Jahren an, schon einen Psilo-Trip hinter sich zu haben. Dies ergab eine Umfrage der Stiftung Sucht Schweiz im Jahr 2014.Roger Liggenstorfer setzt sich für den ursprünglichen und bewussten Umgang mit den Zauberpilzen ein, sie galten besonders bei den Mazateken als speziellen Zugang zur Natur. María Sabina nannte sie auch niños santos, was so viel bedeutete wie heilige Kinder der Mutter Natur.
Microdosing
Psilocybin wird aber auch in therapeutischem Kontext unter anderem im sogenanntem «Microdosing» eingesetzt. Dabei erhalten Patienten unter therapeutischer Aufsicht eine minimale Dosis des Wirkstoffs, ohne dass es dabei zu einem psychedelischen Trip kommt. In so geringer Dosierung führe er primär zu Wahrnehmungsstörungen und Veränderungen des Denkens oder der Stimmung, informiert die European Drug Agency (EUDA). Microdosing werde zu therapeutischen Zwecken bei Depressionen oder Posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt, erklärt Roger Liggenstorfer. In der Schweiz wachsen die Zauberpilze an verschiedenen Orten. Roger Liggenstorfer erzählt, dass die Weiden im Jura eines der Ziele von Pilzsuchenden seien. Ob oft Psilos im Körbchen bei der Pilzkontrolle landen, beantwortet Barbara Zoller der VAPKO: «Nein. Da es sich bei den psychoaktiven Pilzen eher um unscheinbare Pilzarten handelt, kommen sie sehr selten in die Pilzkontrolle. Psychoaktive Pilze sind zudem keine Speisepilze. Darauf werden die Pilzsammler aufmerksam gemacht.»
Der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata)Die Pilzexpertin Barbara Zoller, Vorstandsmitglied der VAPKO, erkennt den Pilz an diesen Merkmalen:
Hut
• spitzkegelig bis glockenförmig
• 0,5 bis 2,5 Zentimeter grosser Nippel am Hut
Farbe
• hell- bis dunkelbrauner Hut mit gestreiftem Rand (feuchte Bedingungen)
• strohgelb (trockene Bedingungen)
Stiel
• dünn und lang
• 4–10 Zentimeter gross
Sonstige Merkmale
Wird der Pilz zusammengedrückt, kann er einen bläulichen oder violetten Schimmer aufweisen. Er wächst in der Nähe von Dung auf Weiden und Wiesen.
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