Unter den Bahngeleisen von Interlaken West hindurch, schon fällt der Trubel des Touristenortes ab. Der Wanderweg führt entlang des Schiffskanals, denn Kursschiffe von Thun her pflügen durch den See und Kanal bis unterhalb des Bahnhofs Interlaken West. Bald schon liegen die letzten Häuser zurück, auf saftigen Weiden grasen Kühe, Pappeln rauschen am Kanalufer im sachten Wind, Kohlmeisen huschen durch das Geäst.

Grasende Graugänse

In einer von Hecken umsäumten Wiese zupfen Graugänse Gras. Immer wieder blicken sie wachsam um sich, dann stecken ihre Schnäbel wieder im Grün. Im Hintergrund ragen die Berge zum Himmel, Wolkenfetzen ziehen am Himmel, im nahen Wald rauscht das Laub.

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Nach der Unterquerung einer Strassenbrücke, zweigt ein Pfad rechts ab. Wasser gluckst und rauscht, in Kürze ist die schnell fliessende Aare erreicht. Bald schon führt aareabwärts ein Fussgängersteg über den Fluss mit üppig überwuchertem Ufer und milchigem Wasser.

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Die Burg auf der Insel

Kurz danach erinnern Ruinen an die Burg Weissenau aus dem 13. Jahrhundert. Ein alter Turm kann sogar bestiegen werden. Zuoberst fühlt man sich als Vogel, denn der Blick schweift weit. Der See ist nah und war nur durch urwaldähnliche Vegetation verborgen. Schilfflächen beim Naturschutzgebiet bieten Vögeln Unterschlupf, die nahen Berge ragen rundherum auf. Im Rücken liegt Interlaken, Kanal und Aare zeigen sich klar getrennt voneinander. Die Burg verfügte einst über einen Hafen. Von ihr aus liess sich der Warenverkehr über die Alpenpässe kontrollieren. Zudem lag sie gut geschützt auf einer ehemaligen Insel.

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Geheimnisvolles Fiepen aus dem Schilf

Wie vermutlich damals, als Schiffe anlegten, Aufseher Waren kontrollierten und Pferde schnaubten, blüht auch heute in der sumpfigen Matte vor den Ruinen das Gefleckte Knabenkraut, eine Orchideenart. Gleich nach der Burg zweigt der Wanderweg links ab und führt über einen Steg durch Schilf. Geheimnisvolles Fiepen aus dem Sumpf. Ein Teichhuhn huscht durch die Stängel. Von einem Ansitz aus fällt der Blick über eine offene Fläche. Das Gebiet wurde bis ins 19. Jahrhundert regelmässig von Aare und Lombach überflutet.

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Gänsesäger rudern im Wind

Der Wind frischt auf, peitscht Wellen gegen das Ufer. Unbeirrt schwimmt eine Gänsesäger-Mutter mit 14 Jungen in den Wellen. Die kleinen schwarz-weissen Flaumbällchen rudern, doch zwei haben es sich auf dem Rücken der Mutter gemütlich gemacht. Sie kommen nicht nur bequem und trocken vorwärts, sind sie da doch auch vor Hechten sicher, die im nahen Schilfbestand lauern könnten.

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Bald darauf haben es aber alle geschafft, die Mutter sitzt mit den Kleinen am Ufer und putzt sich das Gefieder. Gänsesäger brüten in Höhlen, ob in Felsspalten oder in Baumhöhlen in grosser Höhe. Die Küken nehmen keinen Schaden, wenn sie hinunterspringen.

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Beeindruckend hohe Buchenhecke

Bald ist die Ortschaft Neuhaus erreicht. Wer nicht mehr mag, kann hier den Bus zurück nach Interlaken nehmen oder gar das Kursschiff besteigen. Andernfalls führt der Weg weiter der Strasse entlang in Richtung Thun über den Lombach beim Campingplatz durch, wo eine viele Meter hohe Buchenhecke beeindruckt. Bald erinnern alte, längst leere Gehege an eine einstige Bärenhaltung eines Restaurants.

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Märchenhafter Wald

Froh, von der viel befahrenen Strasse wegzukommen, tauchen die Wanderer wieder in seenahen Wald ein. Von Moos bewachsene Steine, Farnwedel, die in einzelnen Sonnenstrahlen leuchten, der Wald im Delta des Sundgrabens ist märchenhaft. Unheimlich wirken die arg umzäunten Liegenschaften am See, die gar mit Schutzmauern umgrenzt sind, so dass sich kein Einblick gewährt. Warum sich da wohl jemand dermassen verstecken muss?

Verträumtes Sundlauenen

Die Ortschaft Sundlauenen liegt verschlafen da, ein traumhaftes Dorf mit Rindern, die direkt am See weiden, Rosen, die an Hausmauern ranken. Der Ortsname lässt etwas Märchenhaftes, Mystisches anklingen. Das Wort Sund stammt aus dem Altnordischen und bedeutet «das Getrennte». Grundsätzlich wird mit Sund eine Meerenge, eine Durchfahrt oder ein Durchgang bezeichnet.

Wenn kein Schiff fährt, gibt es keinen anderen Weg als derjenige steil aufwärts bis zur Strasse. Dann eröffnet sich die Welt der Beatushöhlen. Spätestens hier wird bewusst, wie sagenumwoben und historisch die Gegend ist. Gefühlt hat man es schon lange, dass es sich um Kraftorte handelt, wo seit Jahrhunderten Menschen durchwandern, sich Unerklärliches zutrug und Pilgerer Energie schöpften.

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Der Drache und die Legende des Heiligen Beatus

Die Beatushöhlen waren einst Rückzugsort eines Drachens, so die Legende, der in der Gegend sein Unwesen trieb – bis ihn Beatus bezwang. Er soll im ersten Jahrhundert nach Christus in England gelebt haben, nach Rom gereist sein, dort Petrus getroffen haben und sich zum Predigen des Evangeliums nördlich der Alpen aufgemacht haben. Nachdem er den Drachen besiegt hatte, hauste er als Einsiedler in den Beatushöhlen. Seither pilgerten Menschen zu den Höhlen, besonders Kranke, die von ihren Leiden befreit wurden. Dem reformierten Bern war das ein Dorn im Auge, so dass die Höhlen zeitweise sogar zugemauert wurden. Der Anziehungskraft tat das keinen Abbruch, die Leute kamen weiterhin, bis heute, wo die Beatushöhlen ein Touristenmagnet sind.

Eine sagenumwobene Gegend

Der Wanderweg führt durch die Grotten- und Gartenlandschaft unterhalb der Beatushöhlen weiter durch Wald. Der dunkle Ruf eines Kolkraben hallt über die mystische Landschaft. Plötzlich öffnet sich linkerhand des Wegs eine riesige Grube, die etwas Unheimliches an sich hat. Vom Widmannsplatz aus, benannt nach dem Schriftsteller Joseph Victor Widmann, der hier gesessen haben soll, bietet sich eine hinreissende Sicht zwischen Buchenästen hindurch auf den Thunersee. Später dann führt der Weg abwärts in Richtung See. Bei der Station Beatenbucht hält der Bus in Richtung Thun. Naturlandschaften, Pflanzen, Tierbegegnungen, Geschichte und Legenden machen diese Wanderung zu etwas Besonderem.

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KurzinformationenStart vom Bahnhof Interlaken West der Aare entlang bis zu einer Fussgängerbrücke; dem Wanderweg in Richtung Neuhaus folgen. Dann folgt rechterhand eine Burgruine, bald danach zweigt der Weg links über einen Steg ab durch das Naturschutzgebiet Neuhaus-Weissenau. Der romantische Weg führt dem See entlang bis nach Neuhaus. Von dort aus geht es ein Stück der Strasse entlang, dann folgt der Weg durch Waldstücke in Seenähe über den Sundgraben bis nach Sundlauenen. Von der Schiffländte aus geht es steil nach oben über die Staatsstrasse bis zur Beatushöhle. Vom Höhleneingang führt der Wanderweg weiter oberhalb einer grossen Grube hindurch bis zur Beatenbucht. Es ist immer wieder möglich, die Wanderung abzubrechen, entweder bereits in Neuhaus, oder aber an einer Haltestelle der Busverbindung Thun – Interlaken. Die Busse verkehren regelmässig, unter der Woche tagsüber meist halbstündlich.