Mondfisch
Der Mühlstein der Meere
Mondfische brechen gleich in mehrerer Hinsicht Rekorde: Keiner produziert so viele Eier wie der grösste Knochenfisch der Welt. Seine ungewöhnliche Form sorgt bei Seglern, Fischern und Tauchern für Staunen.
Xavier Doerr wollte gleich drei Rekorde brechen, als er im Frühling mit seinem kleinen Segelboot den Hafen der australischen Gold Coast verliess: der schnellste und jüngste Segler zu sein, der Australien einhändig nonstop umrundet. 40 Tage später aktivierte der 22-Jährige seinen Notrufsender. Das Boot war gekentert, Wasser drang ein und der junge Mann hatte sich einige Verletzungen zugezogen, sodass er in einer schwierigen Rettungsaktion evakuiert werden musste. Doerr war, so vermutete er selber, mit einem Mondfisch kollidiert.
Mondfische sind mit einer stattlichen Länge von bis zu 3,5 Metern und einem Gewicht von über zwei Tonnen die grössten Knochenfische der Welt. Nicht nur seine Grösse macht den Koloss aussergewöhnlich, auch sein Aussehen scheint nicht von dieser Welt zu sein. Die seitlich abgeflachte, ovale Gestalt und die langen Rücken- und Afterflossen machen den Mondfisch einzigartig. Zu der Familie der Mondfische gehören insgesamt fünf Arten, darunter der gefährdete eigentliche Mondfisch (Mola mola) und der Schlanke Sonnenfisch (Ranzania laevis).
Zäher Spitzenreiter
Als Schwimmer dürfte man kaum auf ein Exemplar dieses ungewöhnlichen Meeresbewohners treffen, denn die Tiere leben weit von der Küste entfernt im offenen Meer. Obwohl er eher warmes Wasser mag, so kommt der Mondfisch auch im Mittelmeer und im Herbst sogar in der Nordsee vor. Die langsamen Schwimmer können bis zu einer Tiefe von 500 Metern tauchen und ernähren sich vor allem von Quallen. Meistens halten sich Mondfische in der Nähe der Wasseroberfläche auf, wo sie mit der aus dem Wasser ragenden Rückenflosse aus der Ferne mit einem Hai verwechselt werden können. Manchmal lassen sie sich allerdings auch waagrecht in Seitenlage an der Wasseroberfläche treiben und scheinen sich so regelrecht zu sonnen. Wozu dieses Verhalten dient, ist jedoch nicht abschliessend geklärt. Aufgrund ihrer Grösse haben ausgewachsene Mondfische kaum natürliche Feinde. Überreste von ihnen wurden im Mageninhalt von Blauhaien und in einem Fall von einem Weissen Hai gefunden. Berichten zufolge versuchen sich auch Kalifornische Seelöwen und Orcas an der Jagd nach Mondfischen. Für den menschlichen Verzehr ist der Fisch aufgrund seines gummiartigen Fleisches weniger geeignet, wird gelegentlich jedoch in Taiwan als Delikatesse geschätzt und in der traditionellen chinesischen Medizin verwendet.
Nicht nur die Grösse des Mondfisches ist rekordverdächtig, auch seine Fruchtbarkeit. Mondfischweibchen legen pro Laichvorgang bis zu 300 Millionen Eier, die höchste Zahl aller Fischarten. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven sind lediglich drei Millimeter lang und sehen mit ihren zackenförmigen Ausstülpungen ein wenig aus wie Sterne. Erst über verschiedene Larvenstadien hinweg entwickeln sie die für Mondfische typische Körperform.
Die ersten Mondfische dümpelten bereits vor 50 Millionen Jahre zur Zeit der Dinosaurier durch die Weltmeere. Nachts geht von ihnen ein silbriger Schimmer aus, der von Parasiten hervorgerufen wird, die sich in ihre Haut bohren. Rund 50 verschiedene Gattungen von Mikroorganismen findet man auf den Körpern der Kolosse. Nicht die Farbe, aber seine runde, massige Form verliehen dem Mondfisch seinen wissenschaftlichen Namen Mola mola. «Mola» bedeutet im Lateinischen so viel wie «Mühlstein». Ein wahrlich treffender Name für den runden Riesen der Meere.
Ausflugstipp
Mondfische sind so gross, dass sie weltweit lediglich in drei öffentlichen Aquarien, jedoch nicht in der Schweiz, gehalten werden. Wer nicht minder beeindruckende Fische sehen möchte, der kann im Tropenhaus Frutigen und im Berner Tierpark den Belugastör (Huso huso) bewundern, der eine Länge von bis zu 6 Metern erreichen kann. Zusammen mit dem Riemenfisch ist er zwar nicht der schwerste, aber dafür immerhin der längste Knochenfisch der Welt.
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