Alte Bäume bilden Mikrohabitate
Lebensräume in Bäumen
Jeder Baum beherbergt einen ganzen Lebenskosmos, besonders, wenn er alt ist. Darum ist es wichtig, dass ein Netzwerk von Baum-Methusalems bestehen bleibt, auch im Wald, der genutzt wird. Von geheimnisvollen Lebewesen auf Bäumen und besonderen Vorkommnissen am Stamm.
Viele Käferarten leben in Alt- und Totholz. Es sind sogenannte xylobionte Arten. Das erklärte Dr. Thibault Lachat Ende November 2023 an einem Vortrag der Botanischen Gesellschaft Bern (BGB). Der Dozent für Waldökologie sprach über den Lebensraum Baum und stellte die Mikrohabitate vor, die lebende oder tote Bäume bieten.
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Dendrotelme, eine Höhlung
Ein solcher Kleinlebensraum ist auch eine Dendrotelme. Dabei handelt es sich um eine Höhlung im Baum, darin sammelt sich Wasser. Solche Kleinsttümpel beherbergen eine grosse Anzahl an Lebewesen. Nur in alten Bäumen bilden sich Dendrotelme. Ein Grossteil der Bewohner von Dendrotelmen sind Bakterien, Algen, Pilze, Einzeller, Rädertierchen und andere Kleinlebewesen, die sich vom Abbau organischer Reste und ihren Mitbewohnern ernähren. Auch Insektenlarven leben in den kleinen Wasseransammlungen, denn sie sind dort gut geschützt. Manchmal gedeihen am Rand Pflanzensamen.
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Alte Bäume beherbergen Käfer
Thibault Lachat sprach von rund 8000 Arten, die sich auf alten Bäumen tummeln. Dabei handelt es sich in erster Linie um Insekten wie etwa um den Prachtkäfer, den Bockkäfer und den Schröter, alles Käferarten, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen. 46 Prozent der im Totholz lebenden Arten seien bedroht.
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Waldnutzung verhindert Baummikrohabitate
«Den Wäldern geht es heute besser als vor 100 Jahren.» Nichtsdestotrotz seien sehr viele im Wald lebende Tierarten gefährdet, sagte Thibault Lachat. Ein Grund sieht Lachat in der Waldnutzung. «Die Waldbewirtschaftung beeinflusst die Vielfalt der Baummikrohabitate.» Das habe er im Tessin feststellen können, wo in etwa der Hälfte aller Wälder seit 30 Jahren keine Waldbewirtschaftung mehr stattfinde. «Deswegen ist die Artenvielfalt an Bäumen dort wesentlich höher.» Normalerweise erreichten in den Wäldern Bäume kein so hohes Alter, weil sie früher geschlagen und genutzt würden.
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Ab 400 Jahren wird man interessant
Erst wirklich alte Bäume bieten vielen Insekten und Flechten Lebensräume. «Ein 100 bis 200 Jahre alter Baum ist uninteressant punkto Mikrohabitate. Ab dem Alter von 200 Jahren findet eine markante Steigerung der Artenvielfalt statt», sagt Thibault Lachat. Eichen begännen gar erst ab 400 Jahren interessant zu werden punkto Habitate für Käfer und Flechtenarten.
Ein Netzwerk von alten Bäumen stehen lassen
Lachat hat einen konkreten Vorschlag, wie ein Netzwerk alter Bäume durch die Wälder entstehen könnte: «Drei bis fünf Bäume pro Hektare sollten finanziert werden. So entsteht eine ökologische Infrastruktur über eine gesamte Waldfläche.» Der Waldbesitzer würde so für Bäume finanziell entschädigt, die nicht gefällt würden. Der Kanton Bern hat so bereits 5000 Bäume vertraglich gesichert, und zwar Nadelholz ab einem Stammdurchmesser von 70 Zentimeter und Laubbäume ab einem Durchmesser von 60 Zentimeter. Es stehe sogar im Gesetz, dass Wälder multifunktional seien. Also können sie der Holzgewinnung, jedoch auch der Erhaltung von Arten dienen.
Habitatbäume im gesunden Waldsystem
Viele Käferarten seien erstaunlich mobil, erzählte Thibault Lachat. Sie fliegen recht weit. So sei ein Eremit, ein Blatthornkäfer, der sehr plump wirkt, zwei Kilometer weit geflogen. «Auch Pilzsporen fliegen weit», sagt Lachat. Ein Netzwerk mit alten Bäumen sei darum sehr sinnvoll. «Solche Habitatbäume gehören zu einem gesunden Waldsystem.» Wichtig sei, dass sie bis zur Zersetzung im Wald belassen würden. Auch Vogelarten würden viel mehr auf alten Bäumen gesichtet als auf jungen.
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Die anderen Waldbewohner
Bäume haben andere, viel längere Lebensperspektiven als Menschen. Eichen und Eiben können weit über 1000 Jahre alt werden. Gerade alte Bäume werden von vielen Lebewesen, besonders auch von zahlreichen Insektenarten, besiedelt. Pilze, Flechten, Käfer und Bakterien stehen nicht im Rampenlicht. Sie gehören aber genauso zum Ökosystem Wald wie Reh und Eichhörnchen.
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