Wildschweine gelten als die intelligenteste Schalenwildart in unseren Wäldern. Entsprechend intelligent wählen sie, je nach Wind und Wetter, auch ihren Schlafplatz aus. «Die Schwarzkittel graben sich vor längeren Ruhephasen mit Hilfe ihres Rüssels eine körpergrosse Mulde, in der sie sich niederlassen», erklärt Förster Tobias Volg. «In besonders versteckter, meist sonniger und wind-geschützter Lage werden innerhalb einer Rotte so genannte Schlafkessel angelegt, die aus einer Vertiefung bestehen und mit Laub, weichen Zweigen, Farn oder Gräsern ausgepolstert werden. Dabei dient die Polsterung jedoch nicht unbedingt dem Komfort, sondern vielmehr einer der Jahreszeit angemessenen Isolation», sagt Volg.

Denn die von den Pflanzen abgegebene Verdunstungskälte kühlt die Tiere an heissen Sommertagen. Regnet es, werden Kessel in dichtem Nadelbaumbestand angelegt, die sie wie ein Dach vor Nässe schützen. Eine Unterlage aus abgerupftem, trockenem Gras wärmt von unten. «Bei Schnee und Wind ruhen Schwarzkittel in undurchdringlichem Dickicht. Ist es sehr heiss, werden luftige und schattige Bestände aufgesucht. Im Winter nutzen Wildschweine manchmal auch Ameisenhaufen als Liegeplatz, wahrscheinlich, weil es im Inneren durch den Ameisenstaat angenehm temperiert ist.» Im Schlafkessel gibt es eine feste ‹Hausordnung›. «Hier ist genau festgelegt, wer mit wem in welchem Kessel schläft. Enge ist dabei vorprogrammiert, wobei die einzelnen Kessel aber einen bestimmten Abstand zueinander haben. Ungebetene Gäste dürfen nicht in fremde Lager eindringen.»

Wer schläft, der sündigt nicht

Das Schlafbedürfnis der Schwarzkittel ist mit 11 bis 15 Stunden pro Tag recht hoch. Der Schlaf selbst ist meist nicht tief. Es gibt jedoch auch kurze, narkoseähnliche Abschnitte, in der für ein paar Minuten keine Geräusche und Empfindungen wahrgenommen werden. Diese Form nennt sich paradoxer Schlaf.

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Rotwild benötigt sehr wenig Schlaf. Im Herbst und Winter schläft es nur 4 bis 5 Stunden am Tag, im Frühjahr und Sommer sogar nur 2 bis 2,5 Stunden. Auch hier gibt es wieder den kurzen, aber tiefen paradoxen Schlaf. Dieser findet bei Rotwild hauptsächlich tagsüber statt, nachts ist möglicherweise die Angst vor Feinden grösser. «Im Rudel schlafen nie alle Tiere gleichzeitig. Es gibt immer Aufpasser, die wachsam die Umgebung beobachten, um im Fall der Fälle rechtzeitig vor Feinden fliehen zu können», sagt Tobias Volg. «Die genauen Ruheorte hängen beim Rotwild unter anderem sehr vom Jagddruck ab. Normalerweise ist Rotwild ein Steppentier, das sich in grossen Rudeln auf freien Flächen aufhält. Wird viel gejagt, werden die Hirsche deutlich heimlicher und sind eher im Wald anzutreffen. Während der Setzzeit im Juni bleibt Rotwild ebenfalls lieber im Wald, genauso, wenn das Rudel klein ist. In der Brunftzeit hingegen suchen Hirsche gerne freie Flächen auf.» Grössere Rudel nehmen generell Freiflächen besser an. Gibt es Beutegreifer im Revier wie beispielsweise den Wolf, werden ebenfalls freie Flächen favorisiert, weil hier ein besserer Rundumblick gewährleistet ist. Es gibt jedoch auch individuelle Unterschiede: Manche Tiere halten sich eher im Wald auf und andere lieber auf Frei flächen. «In der Regel ruhen die Tiere in Bauchlage mit Blick zur möglicherweise gefährlichsten Stelle an diesem Ort. Damit eine schnelle Flucht jederzeit möglich ist, werden die Läufe unter den Körper gezogen», hält Volg fest. Beim richtigen Schlaf liegt der Kopf flach auf dem Boden, wobei er mit zunehmender Schlaftiefe immer weiter zur Seite sinkt. Ab und zu wird der Kopf auch direkt an einem Stamm abgestützt.

Rehwild schläft meist noch weniger als Rotwild. Im Winter sind es nur zwei bis vier Stunden, im Sommer eine bis zwei Stunden täglich. «Bei Rehen beschränkt sich der tiefe Schlaf auf ein paar Minuten am Tag. Auch Rehwild schläft im Liegen. Die Augen sind dabei geschlossen, der Kopf bleibt im Gegensatz zum Rotwild aber meist aufrecht. Nur während des kurzen Tiefschlafes wird das Haupt manchmal auf die Flanken zwischen Rumpf und Hinterkeule gelegt», erklärt der Förster. Geeignete Ruheplätze sind geschützte Stellen, die trotzdem einen guten Überblick über das Gelände gewähren.

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Muffelwild benötigt wohl am wenigsten Schlaf unter den Schalenwildarten. «Es wurden schon Tiere beobachtet, die tagelang überhaupt nicht geschlafen haben», berichtet Volg. «Im Winter dösen Mufflons jedoch auch mal ein paar Stunden am Stück. Meistens ruhen sie nachts und mittags.» Auch Muffelwild schläft auf dem Bauch mit auf dem Boden liegendem Haupt.

«Füchse suchen bei schlechtem Wetter zum Schlafen einen ihrer Baue auf. Bei schönem Wetter hingegen schlafen sie auch gerne im Freien. Gerade im Winter suchen sie dafür Sonnenplätze auf», so der Förster. Für ihr Lager scharren sie zunächst auf dem Boden eine kleine Vertiefung, drehen sich dann mehrmals im Kreis, um die Mulde noch zurechtzutreten. Anschliessend setzt sich Reinecke, schlägt seinen buschigen Schwanz (Lunte) bogenförmig um die Vorderläufe und legt sich dann hin. Die Schlafposition ist perfekt, wenn die Schnauze unter die Lunte geschoben wird. «So eingerollt ist der Fuchs bestens vor Kälte und anderen Witterungseinflüssen geschützt.» Zudem stimmt er sich durch dieses Ritual wohl schon auf den nun folgenden Ruhezustand ein. «Da Füchse dämmerungs- und nachtaktiv sind, schlafen sie in der Regel tagsüber. In der Ranzzeit und während der Jungenaufzucht sind sie aber auch am Tag unterwegs», informiert Tobias Volg.

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Dachse schlafen als nachtaktive Tiere am Tag in einem aus vielen Gängen und mehreren Etagen bestehenden Erdbau. «Der Schlafkessel eines Dachses kann bis zu 5 Meter unter der Erde liegen. Er ist etwa 60 cm hoch und wird mit Gras, Laub, Moos oder Farnen ausgepolstert», so der Förster. «Erst in der Dämmerung verlassen die Tiere ihre Unterkünfte und begeben sich auf Nahrungssuche.» Im Winter hält Grimbart keinen Winterschlaf, sondern eine Winterruhe.

Entspanntes Ruhen in sicheren Bauten

Feldhasen schlafen nicht in Höhlen wie Wildkaninchen, sondern scharren sich eine windgeschützte, flache Bodenmulde (Sasse) zum Ruhen, an einem Ort mit möglichst guter Rundumsicht. Typisch für Kaninchen- und Hasenjungtiere ist der Sekundenschlaf. Beierwachsenen Hasen und Kaninchen gibt es ebenfalls über den Tag verteilte Tiefschlafphasen von nur ein paar Minuten. Meist findet aber ein dösender Halbschlaf statt, bei dem die Augenlider geschlossen sind. «Als Nesthocker schlafen Kaninchen die ersten zwei bis drei Wochen noch sehr viel in ihrem Bau. Junge Hasen hingegen sind Nestflüchter und somit viel früher aktiv, was sich natürlich dann auch in deutlich kürzeren Schlafphasen zeigt», erklärt Volg.

Eichhörnchen bauen kugelförmige oder ovale Schlafnester (Kobel) in Astgabeln, auf Ästen, in Baumhöhlen oder Nistkästen in mindestens 6 Metern Höhe. Diese werden aus Zweigen geflochten und mit weichen Materialien wie Blättern, Gräsern und Moosen ausgepolstert. Manchmal funktionieren die hübschen Nager auch Krähen- und Elsternnester um.

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Kobel sind blick- und wasserdicht und so perfekt gegen Feinde und Witterungseinflüsse geschützt. «In der wärmeren Jahreszeit suchen Eichhörnchen ihre Schlafnester kurz vor Sonnenuntergang auf. Erst etwa eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang werden diese dann wieder verlassen. Auch gegen Mittag legen Eichhörnchen gerne eine kleine Ruhepause ein. Im Winter ist dann Winterruhe angesagt, die nur kurz morgens zur Nahrungssuche unterbrochen wird», erklärt der Förster Tobias Volg.

 

Weitere tierische Schlafmützen
• Kaninchen schlafen knapp 10 Stunden täglich.
• Einige Fledermausarten ruhen bis zu 19 Stunden.
• Spitzmäuse schlafen so gut wie gar nicht, weil sie wegen ihres hohen Energiebedarfs ständig auf Nahrungssuche sein müssen, andere Mausarten benötigen dagegen bis zu 13 Stunden Schlaf.
• Igel schlafen 17 bis 18 Stunden am Tag.
• Blaumeisen schlafen im Winter fast 5 Stunden länger als im Sommer, wobei die Weibchen jede Nacht durchschnittlich 15 Minuten länger schlafen als die Männchen.
• Auch Fische schlafen. Sie suchen dafür, wie andere Tiere auch, spezielle Ruheorte auf und nehmen so eine bestimmte Ruhestellung ein.

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