Jahr für Jahr geben Vogelfreunde Millionen Schweizer Franken für die Winterfütterung aus. Doch unter Vogelfreunden wird kaum ein Thema so kontrovers diskutiert wie die Fütterung von Wildvögeln. Viele plädieren für Vogelhäuschen mit Körnern, damit kein Vogel den Hungertod erleide. Andere wiederum sehen darin keinerlei Sinn und lehnen jede Form der Fütterung ab. Darwinistisch Orientierte pochen gar auf die «natürliche Auslese» im Winter.

Vögel, die bei uns überwintern, sind sehr gut an die kalte Jahreszeit angepasst. Trotzdem verlangt gerade die kalte Jahreszeit Vögeln enorm viel ab. Sie müssen grosse Energiemengen aufwenden, um ihre Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, vor allem während der Nacht. Aus diesem Grund sind Kleinvögel wie die Blaumeisen im Winter bis zu 85 Prozent des Tages damit beschäftigt, Nahrung zu suchen und ihre Fettreserven täglich neu aufzufüllen. Eine sachgemässe Zufütterung in winterlichen Zeiten, die von Nahrungsmangel geprägt ist, kann gewissen Kleinvögeln, vor allem im Siedlungsbereich, das Überleben erleichtern. Vor allem bei Dauerfrost, Eisregen oder geschlossener Schneedecke kann die Fütterung eine Überlebenshilfe sein.

Was, wo und wann …

Manchmal kann jedoch auch gut gemeinte Hilfe schiefgehen, denn wer füttern will, muss auf einiges achten. Die Übertragung von Krankheiten stellt an Futter-stellen mit Abstand die grösste Gefahr dar. Sehr häufig werden Infektionskrankheiten über den Kot kranker Vögel verbreitet. Jegliche Verunreinigung am Futterplatz sollte daher nach Möglichkeit vermieden werden – zum Beispiel durch schmale Krippen am Futterhaus. Wo dies nicht möglich ist, sollte das Körner-Kot-Gemisch regelmässig weggeräumt werden. Auch was gefüttert wird, ist äusserst wichtig. Grundsätzlich ungeeignet sind alle gewürzten und gesalzenen Speisen wie Speck und Salzkartoffeln.

Auch Brot ist nicht zu empfehlen, da es im Magen der Vögel aufquillt. Stattdessen sollte auf Körner, Haferflocken und Rosinen zurückgegriffen werden. Diese am besten in einem Futterhaus mit Reservebehälter (Silo) anbieten, wo sie vor Nässe geschützt sind und in die offenen Krippen nachsickern. Das Haus sollte ein ausreichend über-stehendes, wasserdichtes Dach aufweisen, das aber die Sicht nach allen Seiten hin möglichst wenig behindert. Als Zufluchtsorte bei Gefahren sollten in der Nähe des Futterhauses Bäume oder Sträucher stehen. Die un-mittelbare Umgebung der Futterstelle sollte jedoch frei sein, damit keine Feinde wie Katzen den Vögeln auflauern können.

DIY-Futterglocken
Zutaten pro Glocke
• 150 Gramm Fett (z.B. Rinder- oder Hammeltalg). Talg gibt es beim Metzger.
• Rund 150 Gramm Körnermischung
• Ein Stück Kordel
• Ein Tontopf mit rund zehn Zentimetern Durchmesser. Der Tontopf sollte am Boden ein kleines Loch aufweisen.
• Ein Zweig, der mindestens zehn Zentimeter länger beziehungsweise höher ist als der Topf.

Zubereitung
• Das Fett wird vorsichtig in einem Topf erwärmt.
• Wenn das Fett weich ist, die jeweilige Futtermischung hinzugeben. Je mehr Körner man in die Mischung gibt, desto lockerer wird sie im erkalteten Zustand. Mit einem Schuss Speiseöl verhindert man, dass das Fett zu hart wird und bröckelt.
• Kordel an das Stöckchen binden. Der Knoten muss so dick sein, dass dieser das Loch im Tontopf schliesst.
• Das Stöckchen mit der Kordel von innen durch das Loch ziehen. Damit die Vögel die Futterstelle besser anfliegen können, sollte das Stöckchen mindestens zehn Zentimeter aus dem Topf herausragen.
• Für die Futterglocke das Futtergemisch in den Tontopf füllen und auskühlen lassen.
• Nach dem Auskühlen die Futterglocke an einen schattigen Platz hängen, damit sich der Inhalt an sonnigen Wintertagen nicht zu sehr erwärmt und dann herausfällt.

Statt Glocken zu giessen, kann man auch Knödel formen oder die Masse an Baumstämme streichen.

Andere Vögel, andere Geschmäcker

Der Futterbedarf ist übrigens am frühen Morgen bei den Piepmätzen am grössten, da sie nach einer langen Nacht besonders hungrig sind. Viele Vögel kommen auch am Nachmittag nochmals an die Futterstelle, um für die Nacht vorzusorgen. Futtervorräte sollten daher jeweils am Abend so aufgefüllt werden, dass sie für mindestens 24 Stunden reichen. Nicht jeder Vogel frisst das Gleiche. In ihrer Ernährungsweise teilt sich unsere heimische Vogelwelt in zwei Gruppen: die Weichfutter- und die Körnerfresser. Erstere suchen sich ihre Nahrung bevorzugt am Boden. Zu ihnen gehören Rotkehlchen, Zaunkönig, Amsel und Star.

Auf ihrem Speiseplan stehen tierische Kost und sehr feine Sämereien. Ihr Speiseplan beinhaltet Haferflocken, Mohn, Rosinen, Kleie und Obst. Zu den Körnerfressern zählen Finken, Sperlinge und Ammern. Sie sind mit einem kräftigen Schnabel ausgerüstet und fressen am liebsten Sonnenblumenkerne und Hanf, nehmen aber auch das für Weichfresser empfohlene Futter an. Zudem gibt es noch die Gruppe der «Allesfresser» wie Meisen, Spechte und Kleiber. Sie stellen sich im Winter auf Körner um und nehmen auch Sonnenblumenkerne, Hanf und Mohn an. Sehr beliebt sind auch Fett-Körner-Mischungen. Viele Vögel nehmen diese Talgmischungen aber bevorzugt zerbröselt vom Boden auf. Das Fett ersetzt dabei die tierische Kost.

Der naturnahe Garten

Eine weitere, sogar effizientere und nachhaltigere Möglichkeit, Vögeln zu helfen, ist es, im eigenen Garten ein breites Nahrungsangebot bereitzuhalten, etwa durch das Anpflanzen heimischer Gartensträucher wie Eberesche, Weissdorn oder Zierapfel. Ihre Früchte bieten den Tieren über viele Monate Nahrung. Wichtig ist ausserdem, Sträucher oder Bäume erst gegen Ende des Winters und nicht bereits im Herbst zu beschneiden, damit Früchte und Samen als Nahrung dienen können. Statt Totholz und Laub zu entfernen, können Gartenbesitzer es einfach unter die Sträucher schieben. So siedeln sich Insekten an, die wiederum wichtige Nahrung für viele Vogelarten sind. Es empfiehlt sich bei geschlossener Schneedecke unter Gebüschen vorsichtig mit einem Besen den Schnee zu entfernen und die Laubschicht freizulegen.

Vögel haben dadurch die Möglichkeit, unter dem Laub und im Boden selbst nach natürlicher Nahrung zu suchen. Bleibt die Frage: Schützt die Winterfütterung besonders bedrohte Vögel? Viele Vogelkundler verneinen diese Frage, denn von der Fütterung im Winter profitieren lediglich zehn bis fünfzehn Vogelarten in der Schweiz. Die meisten von ihnen haben stabile Populationen, und keine dieser Arten ist in ihrem wirklichen Bestand gefährdet. So kann die Winterfütterung zum Artenschutz nur einen kleinen Beitrag leisten. Doch das Vogelfüttern hat damit nicht ausgedient, denn wo sonst lässt sich lebendige Natur aus nächster Nähe so gut erleben wie am heimischen Vogelhäuschen? Füttern ist ein Naturerlebnis.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 22/2022 vom 3. November 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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