In den Städten leben viele verschiedene Tiere. Während manche Vierbeiner wie Hunde undKatzen alltäglich anzutreffen sind, bleibenandere eher unsichtbar. In die zweite Kategorie fällt ein kleiner Allesfresser mit buschigem Schwanz und roten Pelz. Er ist zwar selten zu sehen, doch hat sich der Fuchs in den letzten zwei Jahrzehnten als Teil des urbanen Ökosystems etabliert – auch in der Schweiz.

Im Jahr 2001 wurden allein in Zürich 500 Füchse gezählt. Fünf Jahre später waren es um die 1000 und inzwischen ist diese Zahl auf zirka 1500 Rotfüchse angestiegen. In Grossstädten wie Berlin werden heute mehr als 15 000 Füchse gezählt. Da die Kapazität seines natürlichen Lebensraumes zunehmend eingeschränkt wird und in den Städten ein Überfluss an einfachzugänglichen Mahlzeiten zu finden ist, zieht es Meister Reineke immer mehr in die Siedlungsgebiete.

In den letzten Jahren hat der Rotfuchs (Vulpesvulpes) viele Metropolen auf der Welt erobert, wo er nun passend «Stadtfuchs» genannt wird. Bis in die 1980er-Jahre waren solche Füchse hauptsächlich in überbauten Gebieten des Vereinigten Königreichs zu beobachten, vor allem in und um London herum.Heute werden die Rotpelze in Siedlungen auf derganzen Welt gesichtet. Diese Tiere werden bereits in den Städten geboren und hier endet ihr Leben auch, zumindest in den Grossmetropolen.

Keine neue Tierart

Aus einer Studie des Leibniz-Institutes für Zoo- und Wildtierforschung geht hervor, dass die kleinen Allesfresser von ihrem alten Zuhause abgetrennt wurden. Flüsse, Autobahnen oder Betonmauern haben Reineke Fuchs von seinem ursprünglichen Lebensraum abgeschnitten. Deshalb haben Stadtfüchse nach einigen Generationen angefangen, sich von Landfüchsen zu unterscheiden – zumindest in ihren Verhaltensmustern. Stadtfüchse sind weniger scheu und haben eine geringere Fluchtdistanz zum Menschen. Sandra Gloor von der Beratungsgemeinschaft SWILD erklärt, dass sich der Fuchs durch den Kontakt zum Menschen verändert hat. «Man nennt das Domestikationseffekt. Er verträgt es, dass der Mensch in der Nähe ist.» Durch die feh-lende Distanz zum Menschen verlieren die Rotpelze ihre natürliche Angst und trauen sich mehr, sich in dessen Nähe aufzuhalten. Diese veränderte Wahrnehmung geben die Eltern ihren Jungtieren mit, und somit wächst die nächste Fuchsgeneration mit noch weniger Scheu auf.

«Füchse sind zwarniedliche Tiere, aber es sind immer noch wilde Tiere.»

Neben diesem neuen Verhalten weisen Stadtfüchse auch körperliche Merkmale auf, die sonst hauptsächlich bei Haustieren auftreten. Hierzu gehören unter anderem einzelne Körperstellen mit gepunktetem Fell sowie ein kleineres Gehirn. Von einer neuen Tierart kann jedoch noch nicht die Rede sein, denn «Stadt- und Landfüchse können sich untereinander reproduzieren und ihre Lebensräume wechseln», wie Sandra Gloor erklärt.

Kaputte Müllsäcke und fehlende Schuhe

Füchse sind inzwischen in fast allen grösserenSiedlungen der Schweiz zu finden. Hierzulande sind die Städte aber kleiner und näher an der Natur als in den Metropolen der Nachbarländer. Deshalb unterscheidet sich der Schweizer Stadtfuchs auf einigen Ebenen von seinen Verwandten im Ausland. Anstatt in einem Park oder in einem Garten zu jagen, kehren die hiesigen Exemplare häufig in die Natur zurück. Die Mehrheit der kleinen Opportunisten mögen die Agglomerationen und sind dort oftmals am Abend anzu-treffen. Hier gibt es häufig beutereiche Wälder oder Wiesen in der Nähe und es sind nur wenige Menschen unterwegs. Zusätzlich stehen an solchen Orten viele Abfallsäcke vor den Türen. Die ruhigen Vororte sind bei Füchsen aber auch beliebt, weil sie dort in Ruhe einen Bau einrichten und im Frühling ihren Nachwuchs aufziehen können.

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Während es für viele Stadtbewohner ein Privileg ist, so nahe an Füchsen zu leben, bedeutet es für andere viel Ärger. Der Rotpelz stiehlt gerne Schuhe – meist sind es Jungfüchse, die dadurch trainieren, Beute zu finden und diese abzutransportieren. Zum Ärgernis der Bürger, der Grünämter und Abfallentsorgung zählen die Inhalte von Müllsäcken inzwischen zu den Lieblingsgerichten der Füchse. Zur Aufklärung sind darum auf städtischen Webseiten verschiedene Anleitungen aufgelistet, die den Umgang mit den Rotpelzen vereinfachen sollen. Beispielsweise soll man den Kompost am Abend immer abdecken und die Kehrichtsäcke erst am Morgen vor der Abfuhr hinausstellen.

Wie er frisst und lebt
Ernährung: Beeren, Wurzeln, Regenwürmer und kleinere Säugetiere
Reviermarkierung: Kot, der an einer erhöhten Stelle abgesetzt wird
Ruf: Schrilles, wiederholtes Jaulen
Nest: Kann sich einen eigenen Bau graben, besetzt aber lieber schon vorhandene
Familienverhalten: Variiert zwischen Einzel-gänger und Familienrudel, je nach Lebensraum
Jungtiere: Werden zwischen Mai und Juni grossgezogen

Die Angst vor Krankheiten

Da Füchse als Krankheitsüberträger bekannt sind,begegnen ihnen viele Menschen mit einem gewissen Misstrauen. Reineke wurden über die Jahre mit verschiedenen Erregern in Verbindung gebracht. Viren und Parasiten wie Räude, Staupe, Tollwut und Fuchsbandwurm gehören dazu. Obschon die Gefahren nichtabzustreiten sind, ist dieses Bild des Fuchses veraltet. Die Schweiz beispielsweise gilt seit 1998 als tollwutfrei. Es besteht jedoch ein kleines Risiko für Menschen und deren Haustiere. Darum sollten die Hände nach der Gartenarbeit immer gründlich gewaschen und dieVierbeiner nicht aus den Augen gelassen werden. Und kommt es tatsächlich zum Kontakt mit einem Fuchs, sollte man seinen Hund und seine Katzen vom Tierarzt auf Fuchsbandwürmer untersuchen lassen.

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Umweltämter weisen darauf hin, dass die Rotpelze weder gefüttert noch angefasst werden sollen. Die Verbindung zum Menschen nimmt dem Fuchs nämlich die Scheu, was zu schwerwiegenden Problemen führen kann. Der Fuchs ist trotz des Domestikationseffekts immer noch ein Wildtier. Er wird jedoch dreistund kann zuschnappen oder zubeissen, wenn er inBedrängnis kommt, erklärt Sandra Gloor. «Ein zu naher Kontakt mit dem Menschen ist auch aus hygienischen Gründen problematisch. Die bei Füchsen verbreiteten Krankheiten Staupe und Räude können vor allem für Haustiere gefährlich werden.»

Da Füchse nicht nur Opportunisten, sondern auch Raubtiere sind, können im Siedlungsraum auch Konflikte mit lokalen Haus- und Nutztieren entstehen. Wenn Füchse auf die Jagd gehen, geben sie sich oftmals mit Mäusen oder Regenwürmer zufrieden. Wenn aber die Jungen gefüttert werden müssen, zieht Meister Reineke auch eine Jagd auf Enten oder Hühner inErwägung. Auch bei Katzen besteht Konfliktpotenzial, die Gefahr einer Auseinandersetzung ist jedoch gering. «Bei Katzen haben wir eher den Eindruck, dass sie nicht gefährdet sind, da sie sich sehr gut wehren können», erklärt Sandra Gloor. «Hier würde der Fuchs teils schlimme Kratzer davontragen. Aber einer alten oder verletzten Katze kann ein Fuchs gefährlich werden.»

So sind in der Stadt Luzern Fälle bekannt, bei denen Hauskatzen von Füchsen getötet wurden. Solche Ereignisse seien aber Einzelfällen, schreibt die Wildhut der Stadt auf Anfrage.

Ein harmonisches Zusammenleben

Ob ärgerlicher Schädling oder flauschiger Herzeneroberer, eines steht fest: Der Wohnraum Stadt bietet dem Fuchs viele Nahrungs- und Unterschlupfmöglichkeiten. Ihn zurück in den Wald zu vertreiben, ist kaum mehr vorstellbar.

Daher muss auch der Mensch sein Verhalten anpassen, sagt Sandra Gloor. «Man soll die Füchse nicht füttern, Distanz wahren und sie wegscheuchen, wenn sie zu nahekommen. Am besten hilft lautes Klatschen oder Wasserspritzen.» So mahnt die Wildtierforscherin abschliessend: «Füchse sind schöne und interessante Tiere, aber es sind immer noch wilde Tiere.»

 

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