Es wäre eine friedlichere Welt, wenn die Ressourcen für alle ausreichen würden. Doch leider ist viel Begehrtes in der Natur nur limitiert vorhanden, was zu Auseinandersetzungen zwischen Individuen, Gruppen und zuweilen Arten führt. Solche Konflikte findet man nicht nur beim Menschen, wie an vielen aktuellen dramatischen Beispielen deutlich zu sehen ist, sondern auch im Tierreich. Dort kämpfen zumeist die Männchen um Territorien und den Zugang zu paarungswilligen Weibchen. Denn bei vielen Arten können sich nur die Stärksten durchsetzen und Nachkommen zeugen. Oft wird dies in wilden Kämpfen ausgefochten, wobei körpereigene Waffen zum Einsatz kommen. Doch auch zur Verteidigung gegen Fressfeinde sind elaborierte Strukturen gut, oder sie erfüllen gleich einen ganz anderen Zweck.

Steinböcke

Steinböcke (Capra ibex) gehören zum klassischen Alpenbild. Zur Fortpflanzungszeit im Dezember und Januar liefern sich die Männchen eindrucksvolle Kämpfe, bei denen sie mit ihren Köpfen aneinanderdonnern. Das Aufeinandertreffen der bis zu einem Meter langen und gebogenen Hörner kann man dabei meterweit hören. Während des Winters bleibt der Bock bei der Weibchenherde, verlässt diese aber dann im Frühling, um sich entweder einer Junggesellenherde anzuschliessen oder als einzelner Bock auf die nächste Paarungssaison zu warten. Die Hörner werden im Gegensatz zu Geweihen nicht abgeworfen, sondern wachsen ein Leben lang weiter.

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Helmkasuar

Beim Helmkasuar (Casuarius casuarius) gab das namensgebende, mit Horngewebe überzogene Gebilde auf dem Kopf den Wissenschaftlern lange Rätsel auf. Dient es als Schmuck? Als Schutz, wenn die Tiere kopfvoran durch das Unterholz Neuguineas brechen? Oder vielleicht doch dem Kampf mit Rivalen? 2019 veröffentlichte ein Forscherteam der La Trobe University Melbourne (Australien) eine Studie, wonach die Struktur eine thermoregulatorische Funktion hat. Im heissen Klima kann der bis gut zu 1,70 Meter grosse dunkle Vogel darüber überschüssige Wärme loswerden oder sie in kühlerer Umgebung speichern. Wehren tun sich Kasuare aber eher mit ihren bis zu 12 Zentimeter langen dolchartigen Krallen.

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Afrikanischer Kaffernbüffel 

Die abwärts geschwungenen Hörner des afrikanischen Kaffernbüffels (Syncerus caffer) erreichen eine Länge von bis zu 120 Zentimetern und werden von beiden Geschlechtern getragen. Sie dienen nicht nur den Männchen zur Bestimmung der Hierarchie, sondern werden auch bei der Verteidigung gegen Löwen eingesetzt. Verwundbare, junge und eventuell bereits verletzte Tiere werden dabei von der Herde in die Mitte genommen, wobei die Büffel sich im Kreis aufstellen und den Grosskatzen eine Phalanx von Hörnern präsentieren. Auch ein direkter Gegenangriff treibt die Löwen oft erfolgreich zur Flucht.

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Winkerkrabben

Männchen der Gattung der Winkerkrabben (Uca) besitzen neben einer kleinen eine stark vergrösserte Schere, entweder rechts oder links. Während der Partnerfindung sitzen die Männchen vor ihren Höhlen und winken mit ihren grossen Scheren, um Weibchen anzulocken. Dabei entfachende Revierkämpfe unter den Herren können so heftig sein, dass der eine oder andere Krebs schon mal seine grosse Schere dabei verliert. Mit der nächsten Häutung vergrössert sich dann die vormals kleine Schere zur neuen grossen Schere, während auf der anderen Seite eine neue kleine Schere gebildet wird.

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Nashornvögel

Nashornvögel (Bucerotidae) machen ihrem Namen alle Ehre: Praktisch alle Vertreter der Familie besitzen auf dem grossen gebogenen Schnabel einen wulstigen Aufsatz. Dieses «Horn» ist meist hohl oder besteht aus lockerem Knochengewebe. Beim Doppelhornvogel (Buceros bicornis) ist es besonders stark und bei beiden Geschlechtern ausgebildet. Es dient jedoch nicht dem Kampf, sondern wahrscheinlich als Resonanzkörper, um die Rufe zu verstärken. Das Verbreitungsgebiet des imposanten Vogels mit den starken Farbkontrasten erstreckt sich vom Südwesten Indiens über den Süden Chinas bis nach Sumatra. Da seine Lebensräume, immergrüne feuchte Primärwälder, selten geworden sind, gilt er als potenziell gefährdet.

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Herkuleskäfer

Der längste Käfer der Welt, der in Süd- und Zentralamerika verbreitete Herkuleskäfer (Dynastes hercules), besitzt eine ausgesprochen auffällige Kopfstruktur. Die Männchen tragen ein vom Nacken ausgehendes langes, nach vorne gerichtetes Horn, welches praktisch so lang ist wie der Rest des Käfers. Es ragt über den kompletten Kopf, auf dem dann noch mal ein etwas kürzeres Horn sitzt. Beide Strukturen sind mit zahnartigen Fortsätzen versehen. Auch hier buhlen die bis zu 17 Zentimeter langen Männchen um die Weibchen und fordern ihre Gegner dabei zirpend zum Zweikampf auf, indem sie die Flügel gegen ihren Hinterleib reiben. Nebst den Kämpfern gibt es auch Männchen ohne elaborierte Hörner, die sich als Weibchen ausgeben und so versuchen, sich an ihren kämpfenden Kontrahenten vorbeizuschleichen und sich mit dem Weibchen zu paaren.

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Dreihornchamäleons

Auch Reptilien können nebst ihren Zähnen bewaffnet sein. Die männliche Dreihornchamäleons (Trioceros jacksonii) besitzen drei Hörner, ein leicht nach oben gebogenes auf der Nasenspitze und zwei zwischen den Augen. Die bis zu38 Zentimeter langen Tiere leben im Osten Zentralafrikas und werden auch für die Terrarienhaltung gezüchtet. Wozu sie die Hörner verwenden, ist bis heute nicht ganz geklärt. Dreihornchamäleons gelten zwar als weniger territorial als ihre Verwandten und klären Differenzen meistens mit Drohgebärden und der Änderung der Farbe. Aber dennoch können Revierkämpfe unter Einsatz der Hörner nicht ausgeschlossen werden.

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Hirschkäfer

Hirschkäfer (Lucanus cervus) sind mit einer Länge von bis zu 8 Zentimetern die grössten Käfer der Schweiz. Die Männchen sind bekannt für ihre geweihartig vergrösserten Oberkiefer, die Mandibeln. Bei besonders grossen Exemplaren können sie fast die halbe Körperlänge ausmachen. Bei Weibchen sieht man die Mandibeln auch deutlich, jedoch sind diese normal entwickelt. Es lockt potenzielle Partner mit Sexuallockstoffen, sogenannten Pheromonen, an. Treffen zwei Männchen aufeinander, kommt es zum Ringkampf. Dabei versucht jeder den jeweils anderen mithilfe der langen Mandibeln auf den Rücken zu werfen oder vom Ast zu hebeln. Wer gewinnt, kann sich mit dem Weibchen paaren.

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