Immer kleiner, immer schneller|Dieser Artikel gehört zum Dossier: Ein tierischer Blick zurück
Wie der Mensch im Laufe der Zeit Tier um Tier jagte
Der Mensch hatte schon immer einen Hang zum Grössenwahn. Seit anderthalb Millionen Jahren jagt und überjagt er jeweils das grösste verfügbare Tier. Solange, bis es ausstirbt. Dann geht er zum nächstkleineren über – und alles fängt von vorne an.
Wer sich einen Urmenschen vorstellt, hat rasch ein Bild von einer Gruppe haariger, in Felle gekleideter Männer im Kopf, die in Teamwork einen mächtigen Urelefanten zur Strecke bringen und ihn über offenem Feuer grillieren. Das Bild ist so falsch nicht. Unsere Urahnen, Homo Erectus,haben vor 1,5 Millionen Jahren tatsächlich am liebsten die grösstmögliche Beute erlegt, die ihnen zur Verfügung stand. Kein Wunder: Der Vorläufer unserer Elefanten, er war rund doppelt so schwer wie der heute lebende Afrikanische Elefant, konnte mit seinen gut zehn Tonnen eine ziemlich grosse Gruppe eine ganze Weile lang ernähren. Dazu kam: Die Tiere waren einfach zu finden, boten eine grosse Zielscheibe für Speerschleuderer und waren erst noch langsamer als andere mögliche Beutetiere.
Ein Team von vier Wissenschaftlern der Universität Tel Aviv hat untersucht, was unsere Vorfahren in der Levante, dem Gebiet, das heute ungefähr Israel, Libanon und Syrien umfasst, gejagt und gegessen haben, in einer Zeitspanne von anderthalb Millionen Jahren bis 10 000 Jahre vor unserer Zeit. Herausgekommen ist dabei eine überraschend gerade Linie: Das durchschnittliche Gewicht des typischen Beutetiers unserer Ahnen hat über die Zeit konstant abgenommen – ungeachtet aller äusseren Faktoren wie Niederschlagsmengen oder Eiszeiten.
Als alle Elefanten verschwunden waren, jagte der Menschhalt Hirsche.
Während Elefanten für den Homo Erectus noch 90 Prozent der Nahrungsmenge ausmachten, so die Forscher, stiegen die Neandertaler und frühe Homo Sapiens vor etwa 400 000 Jahren auf Hirsche als Hauptnahrung um, ergänzt durch wilde Rinder und Pferde. Der Grund dafür war ganz einfach: Es gab keine Elefanten mehr zum Jagen.
Nachdem ihnen Rinder und Hirsche zur Neige gingen, stieg der frühe moderne Mensch vor rund 50 000 Jahren wiederum auf das nächstkleinere Beutetier um: Gazellen. Vom 10-Tonnen-Koloss zum 20-Kilo-Tierchen ist die typische Beute des Menschen in einer guten Million Jahren geschrumpft. Das bedeutete natürlich, dass unsere Vorfahren mehr erlegen mussten, um gleich viel zu essen zu bekommen. Sie mussten bessere Jagdstrategien und neue Technologien entwickeln, um die kleineren und flinkeren Tiere zu erwischen – zum Beispiel Pfeil und Bogen.
Tierzucht als letzte Option
Die ganze Entwicklung ging ungebremst weiter, bis den Jägern und Sammlern auch die Gazellen ausgingen und sie sich von Hasen und Schildkröten ernährten. Das war vor rund 10 000 Jahren und markierte auch ungefähr den Zeitpunkt, an dem die Menschen sesshaft wurden, ihre eigenen Tiere zu züchten und Nutzpflanzen anzubauen begannen – wohl kein zufälliger Zeitpunkt. Geht es nach den Forschenden, liegt ein gewichtiger Grund, dass wir Menschen heute keine Nomaden sind, darin, dass unsere Vorfahren alles überjagt oder ausgerottet haben, was sich gut jagen liess.
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Mit Blick auf uns moderne Menschen, die unserer Natur so sehr zusetzen, dass allenthalben Arten aussterben, fällt gerne der Vergleich zu unseren Vorfahren, die, so heisst es immer wieder, der Natur immer nur so viel entnahmen, wie es vertrug, und im Einklang mit der Wildnis lebten. Spätestens die Studie aus Israel zeigt nun: Wir Menschen haben noch nie wirklich nachhaltig gelebt und stets mehr Ressourcen aus der Natur genutzt, als nachwachsen konnte. Uns selber hat das bislang nie wirklich geschadet – wir konnten uns anpassen, waren schlau genug, uns immer wieder neu zu erfinden. Aber die Natur, die hat es schon vor anderthalb Millionen Jahren nie geschafft, sich von uns Menschen zu erholen.
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