Der globale Handel und die Klimaerwärmung erleichtern es gebietsfremden Pilzen, sich in der Schweiz auszubreiten. Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) haben erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme dieser «neuen Pilze», der sogenannten Neomyceten, erstellt.

Die WSL-Pilzexperten Ludwig Beenken und Beatrice Senn-Irlet dokumentieren in ihrem soeben veröffentlichten Bericht rund 300 durch den Menschen eingeschleppte Pilzarten. 13 davon sind neu für die Schweiz, darunter ein auffällig oranger, tropischer Hutpilz (Favolaschia calocera), der letztes Jahr im Tessin entdeckt wurde. Die meisten Neomyceten stammen ursprünglich aus Nordamerika, Asien oder dem Mittelmeerraum. Von vielen ist die Herkunft indes unbekannt.

Parasiten auf Gartenpflanzen
Drei Viertel der Neulinge sind Parasiten, die auf ebenfalls nicht in der Schweiz heimischen Pflanzen leben. «Viele Neomyceten sind Krankheitserreger von Gartenpflanzen», erklärt Beenken. «Sie dürften zusammen mit ihren Wirtspflanzen über den Pflanzenhandel nach Europa und entweder über den Handel oder den Sporenflug auch in die Schweiz gekommen sein.» Die meisten kommen im Mittelland vor, wo viele Menschen leben und Gärten bepflanzen.

Immerhin 35 der Neomyceten befallen auch einheimische Pflanzen, wie der Goldrutenrost. Er ist erst seit 2014 in der Schweiz bekannt und ist offenbar von der aus Nordamerika eingeschleppten Frühen Goldrute (Solidago gigantea) auf die heimische Goldrute (S. virgaurea) übergesprungen. Nur zehn der beschriebenen Arten leben in Symbiose mit Baumwurzeln, wie es viele der bekannten heimischen Hutpilze tun.

Entwischte Zauberpilze
Immerhin ein Fünftel der Neomyceten lebt von abgestorbenem Pflanzenmaterial und richtet keine Schäden an. Dazu gehört der auffällige feuerrote, nach Aas stinkende Tintenfisch-Pilz Clathrus archeri, der einem kopfüber im Boden steckenden Tintenfisch gleicht. Er stammt aus Australien und wurde 1942 das erste Mal in der Schweiz nachgewiesen. Inzwischen kommt er im ganzen Jura und im Voralpenbogen vor.

In freier Wildbahn trifft man aber auch aus Zuchten entwischte Speisepilze an wie den Rotbraunen Riesen-Träuschling. Ebenfalls aus Zuchten – wenn auch illegalen – dürfte der «Zauberpilz» Psilocybe cyanescens stammen, ein halluzinogener Rauschpilz. Eine Gefahr für Pilzsammler stellt der Parfümierte Trichterling aus Nordafrika dar, der schwere Vergiftungen verursacht und leicht mit den heimischen Trichterlingen und Rötelritterlingen verwechselt werden kann.

Importe sollten besser kontrolliert werden
Manche der Neomyceten sind schon seit langem im Lande, seit dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert. «Das Eindringen neuer Pilze in die Schweiz ist zwar kein neues Phänomen, doch es passiert immer häufiger», sagt die Pilzwissenschaftlerin Beatrice Senn. Beunruhigend ist die rasante Verbreitung von Krankheitserregern, zum Beispiel dem Eschentriebsterben. Der aus Ostasien eingeschleppte Pilz befällt Blätter und Stämme der Esche, was zum Tod des Baumes führt. 2008 wurde die Krankheit erstmals bei Basel nachgewiesen, inzwischen sind bereits 90 Prozent aller Eschenbestände betroffen.

Der ungewollte Import von Pilzen in die Schweizer Umwelt wird in Zukunft weiter zunehmen, sagen die Wissenschaftler. «Je mehr lebende Pflanzen transportiert werden, desto mehr kommen auch ihre Begleiter mit», sagt Senn-Irlet. Um die Einschleppung neuer Neomyceten vorzubeugen, sollten Importe lebender Pflanzen, aber auch Substrate wie Holz und Erde, umfassender kontrolliert werden als es derzeit der Fall ist, empfehlen sie.