Sichlete und Älplerchilbis
Die Geschichte von Schweizer Erntedankbräuchen
Erntedankfeste oder -bräuche gibt und gab es auf der ganzen Welt. Schon zu vorchristlichen Zeiten wurde das Ende der Ernte in verschiedenen Kulturen gefeiert. Auch in der Schweiz gibt es noch einige Erntedankbräuche.
Im Alten Ägypten wurden dem Gott Osiris, dem Gott der Aussaat, nach vollendeter Ernte gedankt. Demeter, die griechische Göttin der Erdfruchtbarkeit, wurde am Thesmophorienfest für die kommende Ernte gnädig gestimmt. Erntedankbräuche sind also älter als das Christentum und der Islam. So feierten verschiedene Stämme germanischer Völker das «Hausblot»-Fest am Tag der Tag-und-Nachtgleiche. Einige Erntedankfeste, wie die «Sichlete» hielten sich bis heute.
Heuet, Emd und Wümmet
Erntedankfeste beruhen vor allem auf vorchristlichen Bräuchen, wie dem Hahnenopfer. Die Wein- und Getreideernte geriet zunehmend unter kirchlichen Einfluss. Neben Erntedankgottesdiensten gab und gibt es auch weltliche Traditionen, wie Umzüge und Ernteschmäuse. Bauern stifteten nach einer erfolgreichen Ernte den Arbeitenden einen Ernteschmaus. Wenn die Sommer nasskalt und damit nicht erntereich waren, wurde die Bevölkerung zu Buss- und Bittgängen aufgefordert. Zu den Bräuchen gehörte es auch den Erntewagen mit der letzten Garbe, der Glücksgarbe zu schmücken.
Laut dem Historischen Lexikon der Schweiz gab es bis ins 18. Und 19. Jahrhundert drei grosse Erntezeiten – im Juni und Juli die Heuernte (Heuet), im Juli und August werden Getreide, Hülsen- und Ölfrüchte geerntet und gleichzeitig auch der Zweite Grasschnitt (Emd). Im September und Oktober wurde dann das Obst und die Weintrauben (Wümmet) gelesen. Ab dem 18. Jahrhundert wurden im Oktober zusätzlich Kartoffeln und Rüben geerntet.
Da die Ernte nicht jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt stattfindet, gibt es kein offizielles und internationales Datum für ein Erntedankfest. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Erntebrauchtümer immer weniger wichtig und gingen dann sukzessive im wirtschaftlichen Wandel des 20. Jahrhunderts unter. Grund dafür ist die Globalisierung und die Verteilung der Produktionswege. Wie das Historische Lexikon der Schweiz schreibt, lebten in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts Erntedankgottesdienste wieder auf oder wurden mit anderen Traditionen verbunden. So beispielsweise werden an Älplerchilbis nicht nur das Ende des Alpsommers gefeiert, sondern auch die Ernte.
Die Schweizer «Sichlete»
Die Sichel ist das älteste und lange das wichtigste Arbeitsinstrument für die Getreideernte. Mit der Sichel wurden verschiedene Erntebräuche verbunden, unter anderem auch die Sichellöse (Sichlete). Das ist ein üppiges Erntedankmahl, welches von den Bauern gestiftet wurde.
Das heute noch grösste Erntedankfest in der Schweiz ist die Sichlete in Bern, welche Mitte September in die Hauptstadt zieht. Die Sichlete des Bauernverbands vereint Erntedankfest und Alpabzug. Teil davon ist ein Bauernmarkt, Viehschauen und verschiedene Attraktionen, wie Alphornblasen und Fahnenschwingen. Das Ziel ist es, Brücken zwischen Stadt und Land zu schlagen. Doch auch an anderen Orten wird die Sichlete immer noch gefeiert, so auch in Obersiggenthal im Kanton Aargau. Am ersten Oktoberwochenende wird in Müstair in Graubünden ein grosses Erntedankfest gefeiert.
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