Repair Cafés
Reparieren statt wegwerfen
Dass Dinge irgendwann kaputtgehen, ist jedem bekannt. Ob und wie man sie reparieren kann, weiss der Laie jedoch oft nicht. Freiwillige Reparaturexperten helfen in Repair Cafés, defekte Gegenstände wieder zum Laufen zu bringen und so vor dem Müll zu retten.
Das kleine Spielzeugauto macht keine Geräusche mehr. Was für geplagte Elternohren ein Segen ist, ist für das Kind ein kleines Drama. Also werden rasch die Batterien gewechselt, um das Teil wieder zum Leben zu erwecken. Vergeblich. Das Problem scheint wo anders zu liegen und so lautet die Diagnose: Das Spielzeug ist kaputt. Was nun? Ein Fall für den Müll? Wer wie ich nicht unbedingt mit handwerklichem Geschick gesegnet ist, bei dem landen solche defekten Geräte oft in einer Schublade, denn die Hemmschwelle, sie einfach wegzuwerfen, ist dann doch gross. Schliesslich funktioniert das Auto auch ohne Geräusche noch, auch wenn sich das Interesse des Sohnes daran entsprechend in Grenzen hält.
Wie praktisch wäre es, Dinge ohne grosse Vorkenntnisse reparieren zu können? «Reparieren statt wegwerfen» als Nachhaltigkeitskonzept gegen übermässigen Müll und unnötigen Konsum, das haben sich Repair Cafés auf die Fahne geschrieben. An über 200 Standorten in der Schweiz treffen sich regelmässig Reparaturprofis und helfen Laien, defekte Dinge wieder funktionstüchtig zu machen. Ich wage den Selbstversuch und bringe das stumme Spielzeugauto an einem Samstagmorgen zu einem der Repair Cafés in der Nähe.
In einer zum Museum umfunktionierten alten Fabriksitzen an mehreren Tischen Experten aus verschiedenen handwerklichen Gebieten bereit. Beim Empfang wird man je nach zu reparierendem Gegenstand den entsprechenden Fachpersonen zugeteilt. Mein Auto fällt klar in die Rubrik «Elektronik». In dem Bereich wartet bereits eine Frau mit einem Föhn, der viel zu heiss wird, eine Dame hat ihre 50 Jahre alte, defekte Wäscheschleuder auf einem Handwagen mitgebracht, und gerade wird an einem CD-Player geschraubt, der ähnlich wie mein kleines Auto ebenfalls verstummt war.
Schrauben, Löten und Kleben für Anfänger
Ich setze mich mit meinem Spielzeugauto zu Marius Schär an den Tisch. Der Softwareentwickler hat sich seine Elektronikkenntnisse selber angeeignet und repariert so nebst Smartphones und Computer auch alles, was Drähte und Kontakte hat. Über das Spielzeugauto ist er erstmal erfreut. «Es ist verschraubt und nicht verklebt, das ist schon mal gut», stellt er sogleich fest. So kann er das Auto öffnen und es besteht tatsächlich die Chance, etwas über das defekte Innenleben zu erfahren. Das ist nicht bei allen Geräten der Fall. «Es ist erstaunlich, bei wie vielen Geräten vom Hersteller offenbar nicht gewollt wird, dass der Verbraucher es reparieren kann», ärgert sich der Thuner. Solche Produkte haben oft eine gewollt begrenzte Lebensdauer, sodass der Kunde sie durch Neukauf ersetzen muss. Diese geplante Obsoleszenz steigert natürlich das Absatzvolumen, ist aber alles andere als verbraucher- oder gar umweltfreundlich.
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Umso stolzer sind die Experten der Repair Cafés, dass rund 65 Prozent der Geräte, die bei ihnen landen, repariert werden können. Das Spielzeugauto liegt mittlerweile aufgeschraubt und in Einzelteile zerlegt auf dem Tisch, und Marius Schär testet mit einem Phasenprüfer, ob zwischen den Kontakten Strom fliesst. Tatsächlich scheint lediglich einer der Kontakte etwas korrodiert zu sein. Nach kurzem Polieren dudelt das Auto wieder los: Problem gelöst. Die letzte Herausforderung, das Zusammenschrauben des Spielzeugs, ist schnell gemeistert, und so kann sich mein Sohn auf ein wieder funktionierendes Lieblingsstück freuen. Die Reparatur ist kostenlos, wer möchte, kann jedoch eine kleine Spende hinterlassen. Das Repair Café ist gut besucht und die Reparaturquote hoch.
Auch in anderen Ecken wird geschweisst, genäht, gelötet oder gehämmert. Die Reparaturexperten sehen es als Herausforderung, aufgegebene Dinge wieder funktionstüchtig zu machen. Die Befriedigung stellt sich also nicht nur auf der Seite des Konsumenten ein, sondern auch bei den Ehrenamtlichen, die in den Repair Cafés schrauben, basteln und tüfteln. Das Konzept geht auf, und die meisten Kunden gehen zufrieden mit ihren nun wieder funktionierenden Gegenständen nach Hause. Und im Idealfall hat man sogar etwas gelernt. Nun weiss ich, dass es keine Hexerei ist, ein Spielzeug aufzuschrauben und mal die Kontakte zu reinigen, bevor man dem Kind eine Hiobsbotschaft überbringen muss. Im Zweifelsfall hilft ein Gang zum nächsten Repair Café.
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