Sie sind oft nur einen Steinwurf entfernt. Wer in seinem Wohnquartier spazieren geht, stolpert mit hoher Wahrscheinlichkeit über sie: Schottergärten. «Mit Besorgnis stellen wir fest, dass diese trostlose Art von Garten laufend zunimmt», sagt Claudia Ebling, Fachfrau für naturnahen Gartenbau aus Villnachern AG. Dabei ist nicht die Optik das Problem, denn was schön ist oder eben nicht, obliegt immer dem persönlichen Geschmack. Sorgen bereiten vielmehr die ökologischen Folgen dieser Steinöden, deren Hauptziel die Vermeidung von «Unkraut» oder Beikräutern ist. 

Deshalb wird in der Regel zuerst die gesamte Humusschicht abgetragen und mit einem Vlies oder einer Plastikfolie bedeckt. Im Extremfall wird auch Spritzbeton verwendet. Auf diese Fläche wird danach der Schotter verteilt. «Diese Art der Gartengestaltung führt zu versiegelten Böden und reduziert den Lebensraum für Tiere und Pflanzen», sagt Ebling. «Zudem generieren die Steine Hitze, was man im Sommer deutlich spürt. Auch Lärm und Staub nehmen ohne absorbierende Pflanzen zu.»

Warum sich Schottergärten trotzdem gros-ser Beliebtheit erfreuen, liegt auf der Hand. Sie verkörpern Sauberkeit und sollen möglichst wenig Arbeit machen. Ein Trugschluss, wie die Expertin meint. Denn früher oder später wachse vor allem an schattigen oder feuchten Stellen «Unkraut» oder Moos. Aber auch generell zwischen den Steinen aufgrund von pflanzlichem Material aus der Umgebung, das sich dort ablagert. Das bestätigen auch verschiedene Garten-Fachfirmen, die Kunden darauf aufmerksam machen, dass regelmässiges Jäten notwendig ist, um saubere Steine zu haben.

Nachbarn schauen voneinander ab
Ein weiteres Argument für Schottergärten ist der Preis, der wegen überschaubaren Folgekosten in der Pflege günstiger als bei naturnahen Gärten sein soll. Diesbezüglich sind noch keine empirischen Daten vorhanden, aber da auch für saubere Steine Pflegemassnahmen nötig sind, könnten die Kosten höher sein als bisher angenommen. 

Dass solche Warnungen bis jetzt offenbar im Sand verlaufen, hat mit einer gewissen Ansteckungsgefahr zu tun. Der nachbarschaftliche Einfluss scheint nämlich laut Ebling eine erhebliche Rolle zu spielen, sodass Steinwüsten kaum als Einzelfälle auftreten. Das lässt sich zwar nicht belegen, aber bei genauerem Hinsehen stellt man tatsächlich schnell fest, dass die Schottergärten oft wie ein Ei dem anderen gleichen. «Was mein Nachbar hat, möchte ich auch haben, lautet das Credo. Individuelle Noten haben da keinen Platz mehr», bedauert Ebling. 

Klassische Steingärten
Anders als bei Schottergärten steckt hinter klassischen Stein-gärten nicht die Idee, Arbeit zu vermeiden, indem man auf Pflanzen verzichtet. Sie sollen vielmehr ein Stück Gebirgswelt in den Garten bringen. Steinbrocken imitieren Felsen und Bergblumen wie Alpenleinkraut, Enzian oder Hauswurzarten fügen sich harmonisch ein. Gartenbauer empfehlen ihren Kunden, einheimische Gesteinsarten zu wählen, die aus der Region stammen. Sie passen gut zur Umgebung, und der Transportweg ist kurz. Die Innerschweiz bietet grauen Alpenkalk, der Jura gelblichen Kalk und der Alpenraum diverse Sorten Granit und Gneis.
Pflegeleicht und naturnah sind zudem begrünte Kiesflächen, auf denen sich einheimische Pionier- und Magerrasenflora ausbreiten kann.

Landschaftsschützer schlagen angesichts dieser steinigen Entwicklung Alarm und sehen die Gemeinden in der Pflicht. Diese hätten es in der Hand, ihre Bau- und Nutzungsordnungen anzupassen. Sie könnten beispielsweise Versiegelungsgebühren einführen oder steuerliche Vorteile für Grundstückbesitzer bieten, die ihre Gartenfläche naturnah gestalten. Claudia Ebling würde dies grundsätzlich sehr begrüssen, befürchtet aber, dass solche Vorschriften als An- oder Eingriff in die Privatsphäre gewertet werden könnten. 

Sie hat deshalb einen anderen Weg eingeschlagen. Zusammen mit einer Arbeitsgruppe möchte Ebling über die Folgen der Schottergärten aufklären. Eine entsprechende Broschüre über die Auswirkungen von Steinöden und die ökologische Bedeutung gesunder Böden ist bereits im Umlauf. «Das Thema muss auf breiter Ebene diskutiert werden. Wenn möglichst viele Menschen über die Nachteile der Steinöden reden, stehen die Chancen gut, dass diese wieder zunehmend verschwinden.»

Die Krux mit den Allroundern
Beiträge dazu leisten auch nationale, kantonale und kommunale Projekte. Dazu gehören etwa das Programm «Natur 2020» des Kantons Aargau, das Natur in Siedlungsräumen begünstigen soll. Oder das Biodiversitätskonzept der Stadt Bern, das unter anderem fordert, «bei Bauprojekten die ökologische Vernetzung zu erhalten oder zu fördern». 

Viele ausgebildete Gartenbauer distanzieren sich übrigens bereits von Schottergärten. Anfragen bei diversen Deutschschweizer Gartenunternehmen ergaben, dass sie nur traditionelle Steingärten mit Bepflanzung (siehe Kasten) anlegen. Diese hätten mit den lebensfeindlichen Steinöden nichts zu tun, betonen die Fachleute unisono. Doch wer legt dann den Schotter aus? «Oft sind es sogenannte Allrounder, die keinen gärtnerischen Hintergrund oder keine Ausbildung in der grünen Branche absolviert haben », sagt Ebling. «Sie führen einfach Aufträge nach Kundenwunsch aus.» Die aktuellen Sensibilisierungskampag­nen könnten den Stein aber bald ins Rollen bringen. Und zwar raus aus den Gärten.