Gerumpelt und gebrodelt hat es schon lange in der Vulkankette auf der Kanareninsel La Palma. Nun hat der Cumbre Vieja vom 19. September bis zum 13. Dezember 2021 erstmals seit 50 Jahren wieder Feuer gespuckt und Teile des Vulkankegels sind zusammengebrochen. Das Spektakel mit 1500 Meter hohen Lavafontänen und gewaltigen, zähflüssigen Lavamassen, die unaufhaltsam abwärts und bis ins Meer strömten, zog Einheimische wie Touristinnen in ihren Bann.

Todesopfer forderte der Ausbruch keine, aber das imposante Schauspiel zerstörte Tausende Gebäude, bedeckte über 946 Hektaren im Süden der Insel mit einer meterdicken Lavaschicht und der tagelange Ascheregen überzog nach ungünstigen Winden auch im Norden riesige Gebiete mit einer schwarzgrauen Schicht.

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Vulkanforschende beschäftigen sich weltweit mit der Frage, wann ein Vulkan das nächste Mal ausbricht und wie stark. Das «Wann» lässt sich mittlerweile dank Überwachung und Erfassung seismischer Daten ziemlich genau vorhersagen. Beim Cumbre Vieja verfolgten die Experten den Aufstieg der Lava quasi in Echtzeit und sie konnten die Bevölkerung vorwarnen. Die Frage nach dem «Wie» aber bleibt schwer zu beantworten.

Am Ursprung stehen Hitze und Druck im Erdinneren. Dort, wo sie sehr hoch sind, schmilzt das Gestein – und es entsteht ein zähflüssiger Gesteinsbrei: das Magma. Angetrieben vom heissen Erdkern strömt Magma bei steigendem Druck an verschiedenen Stellen in die Höhe zur Erdoberfläche. Diese Fliessfähigkeit ist die Ursache des Vulkanismus. Tritt Magma bei einem Vulkanausbruch aus, nennt man es Lava.

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Gefährliche grosse Schichtvulkane

Die Lava bestimmt, wie ein Vulkan ausbricht. Bei Schildvulkanen wie dem Mauna Loa und dem Kīlauea auf Hawaii ist das Magma sehr dünnflüssig und die rotglühende, gasarme Lava schwappt bei einer Eruption ohne grösseren Druck aus dem Berg, rast in hohem Tempo den Hang hinab, kühlt ab und hinterlässt bizarre Gesteinsformationen. Diese Art Vulkane sind deshalb nicht ausgeprägt hoch, sondern flach ansteigend. Von den gut 1500 aktiven Vulkanen weltweit sind 180 Schildvulkane und 700 Schichtvulkane.

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Beim zweiten Typ ist das Magma zähflüssig und voller Gase. Es baut sich ein enormer Druck auf, und der Vulkan bricht mit einer mehr oder weniger heftigen Explosion aus. Die Eruption des Cumbre Vieja galt als zahm oder effusiv, wie es Vulkanologen nennen. Weitaus gefährlicher sind die grossen Schichtvulkane, die sich entlang der Subduktionszone und damit dort befinden, wo eine ozeane Erdkruste unter eine kontinentale Platte abtaucht, im Mittelmeerraum, an der Westküste der USA sowie in Japan und Indonesien. Berühmte Vertreter sind der Fujisan in Japan, der Mount St. Helens im US-Bundesstaat Washington, der Pinatubo auf den Philippinen, der Merapi auf der indonesischen Insel Java sowie der Ätna auf Sizilien und der Vesuv bei Neapel.

Diese Vulkane können gewaltige Explosionen produzieren. Die stärkste im 20. Jahrhundert war jene des Pinatubo auf den Philippinen am 15. Juni 1991. Der Vulkan stiess enorme Mengen Schwefeldioxid aus. Wochenlang zog ein Dunstschleier aus Aerosolen, die aus den Schwefelgasen entstanden, um die Erde, das Sonnenlicht wurde reduziert und die Durchschnittstemperaturen sanken um 0,5 Grad. 875 Menschen starben – und doch verhinderten Wissenschaftler Schlimmeres, da sie die Anzeichen für eine Eruption erkannt hatten und über 10 000 Personen rechtzeitig evakuiert wurden.

Wie eine Champagnerflasche

Nicht vorhersehbar war allerdings die Heftigkeit des Ausbruchs. Entscheidend für die Explosivität ist die Gaskonzentration im Magma. Enthält es viel gelöstes Gas, entstehen beim Aufstieg des Magmas im Vulkanschlot Gasblasen, weil der Druck abnimmt. Können die Gasblasen nicht entweichen, kommt es zu einem explosiven Ausbruch. Vergleichbar ist dies mit einer Champagnerflasche, die man geschüttelt hat: Entkorkt man sie, sinkt der Druck und es bilden sich Gasblasen im Getränk – je mehr Blasen, umso mehr schäumt der Inhalt über.

Die Phlegräischen Felder bei Neapel haben mehr als 50 Eruptionsherde.

Ob der Vulkan zur Champagnerflasche wird, ist zudem eine Frage der Menge gelösten Wassers im Magma, weil es beim Hochsteigen die Gasblasen bildet. Bisher ging man davon aus, dass das Risiko für eine heftige Explosion dann gering ist, wenn der Wassergehalt niedrig ist. Olivier Bachmann, Professor für magmatische Petrologie an der ETH Zürich, und sein Postdoktorand Răzvan-Gabriel Popa haben dies unlängst in einer Studie, die sie im Wissenschaftsmagazin «Nature Geoscience» publizierten, relativiert.

Popa und Bachmann analysierten dafür die Daten von 245 Vulkanausbrüchen, erfassten die Anteile von gelöstem Wasser und festen Kristallen im Magma und sahen die Lehrmeinung vorerst bestätigt: Bei wenig Wasser oder vielen Kristallen war das Risiko für einen heftigen Ausbruch gering, gross war es dagegen bei einem Wassergehalt von über 3,5 Prozent und wenig Kristallen. Nicht erwartet haben die Forscher dagegen, dass diese Gefahr bei mehr als 5,5 Prozent Wasseranteil markant sinkt, obwohl sich viele Gasblasen gebildet haben müssen.

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Ihre Erklärung für das Phänomen: Enthält das Magma sehr viel Wasser, entstehen nicht erst im Vulkanschlot Gasblasen, sondern bereits tiefer unten in der Magmakammer. Dort verbinden sich die Blasen zu Ketten und das Gas kann leichter entweichen. Für denselben Effekt sorgen die Kristalle, indem sie Kanäle im Vulkanschlot bilden. Schliesslich verzögern Gasblasen in der Magmakammer den Ausbruch des Vulkans, weil sie den Druckaufbau verlangsamen. Dadurch hat das Magma mehr Zeit, sich zu erwärmen – und die Lava ist bei der Eruption heisser und dünnflüssiger. Dies alles mit dem Resultat, dass der Vulkan nicht explosiv ausbricht, sondern effusiv.

Das Wissen um die Art von Vulkanausbrüchen ist deshalb wichtig, da gut 800 Millionen Menschen in ihrer Umgebung leben. Allein der Taal, der sich keine 100 Kilometer südlich der philippinischen Metropole Manila befindet, bedroht über 20 Millionen Menschen. Vor langer Zeit entstand bei einer enormen Eruption ein bis 30 Kilometer breiter Krater, eine Caldera, in der sich ein schwefelhaltiger See mit einer Insel befindet. Als der Taal Anfang 2020 und Mitte 2021 wieder Dampf- und Aschewolken ausstiess, waren Zehntausende Menschen auf der Flucht.

Der Supervulkan von Neapel

In einer speziellen Lage befinden sich auch die Neapolitanerinnen und Neapolitaner: Östlich der Stadt liegt der 1281 Meter hohe Vesuv. Der Berg war einst viel höher, brach aber im Jahr 79 nach Christus zu einer Caldera ein und verschüttete antike Städte wie Pompeji. Da der Vulkan aktiv blieb, entstand ein neuer Kegel: der Vesuv, der im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mit Lavafontänen und pyroklastischen Strömen ausbrach – zuletzt 1944. Seither ist es – abgesehen von Dampfaustritten und leichten Beben – «ruhig» am Vesuv.

Im Westen Neapels befinden sich die Phlegräischen Felder. Sie sind im Gegensatz zu den Bergkegeln an Land nicht sichtbar. Das mehr als 150 Quadratkilometer grosse Gebiet gilt als Supervulkan, dessen riesige Caldera mehrheitlich unter Wasser liegt und der immer noch aktiv ist: Über 50 Eruptionsherde – Solfatare, Mofetten, Thermalquellen und Fumarole – kennen italienische Vulkanologen. Ständig treten irgendwo Dampf und Gas aus.

Der erwachte Geysir

Supervulkane haben besonders grosse Magmakammern und stossen bei Eruptionen riesige Mengen an Lava, pyroklastischen Strömen, Staub und Asche aus. Die Phlegräischen Felder und der Vesuv haben zehn Kilometer unter der Erde eine gemeinsame Magmakammer. Ein anderer Supervulkan ist jener unter dem Yellowstone-Park in den USA. Seine Magmakammer fasst 10 000 Quadratkilometern – dies ist auch für die Giganten unter den Vulkanen viel.

Zuletzt explodierte der Yellowstone-Vulkan vor rund 70 000 Jahren. Seither dampft und qualmt es unaufhörlich im Park. Vor zwei Jahren erwachte der grösste und höchste Geysir der Welt, der Steamboat-Geysir, nach längerer Pause. Dass aber die über 30 hochschiessenden Wasserfontänen im Jahr 2020 auch Vorboten für das Wiedererwachen des Supervulkans waren, glauben US-Forscher weniger. Zumindest fanden sie keine klaren Hinweise auf aufsteigendes Magma.

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Vulkane an Land sind berühmt, ihre Eruptionen fotogene Sujets. Brechen sie aus, kann das weltweite Auswirkungen haben wie der wochenlang gestörte Flugverkehr nach der Eruption des Eyjafjallajökull auf Island im Frühling 2010. Doch die meisten Vulkane befinden sich unter Wasser. Auch diese submarinen Vulkane können effusiv mit Lavaströmen oder explosiv mit Asche und pyroklastischen Strömen ausbrechen.

So ging die Druckwelle nach dem Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai Mitte Januar in der Südsee durch die gesamte Atmosphäre. Der Vulkan schleuderte dermassen viel Material aus seiner Magmakammer, dass es zu Erdbeben und einem Tsunami kam. Die Sprengkraft dieser gewaltigsten Eruption seit Jahrzehnten war mehrere Hundert Mal stärker als die 1945 auf Hiroshima abgeworfene Atombombe. Da grenzt es fast an ein Wunder, dass das Königreich Tonga nur drei Opfer zu beklagen hatte.

 

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